Der Gegensatz könnte kaum größer sein: Traditionelle Banken sehen Profite und Marktmacht schwinden. Gleichzeitig sammeln Start-ups mit Geschäftsideen im Finanzsektor Millionensummen von Investoren ein. Technologie überrennt etablierte Strukturen.
Die einen verärgern Kunden mit Gebühren für Überweisungen, höheren Kontoführungsgebühren und Negativzinsen. Die anderen schaffen Orderentgelte und Bearbeitungstage ab, bieten gebührenfreie Ratenzahlung und ersetzen mit dem Handy das Portemonnaie.
Digital, schnell und kostengünstig
Klarna, N26, Coinbase, Paypal, Trade Republic, Mambu, Revolut, Vivid Money und Stripe sind Synonyme für die erfolgreiche Digitalisierung der Finanzbranche. Das Potential ist so groß, dass sich für die technologiegetriebenen Finanzdienstleister der eigene Begriff Fintech – Financial Technology – etabliert hat.
Die zahlreichen Unternehmen digitalisieren, automatisieren und beschleunigen Zahlungen, Wertpapierhandel, Spendensammlungen, Versicherungsvermittlung oder Bonitätsrating. Bankgeschäfte lassen sich mit ihren Apps mobil mit dem Smartphone erledigen. So genannte Robo Advisor übernehmen basierend auf Algorithmen die Geldanlage.
Kleinkredit bis Aktienkauf
Ebenso werden private Kleinkredite oder Crowdinvestments rein internetbasiert vermittelt. Privatanleger können gebührenfrei Aktien kaufen und Freunde Restaurant-Rechnungen teilen. Wahlweise werden neben Euro, US-Dollar und Yen längst Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum und Litecoin akzeptiert.
Sammeln von Datenschätzen
Dabei senkt die Fintech-Branche den Personalaufwand und drückt Kosten in verschiedenen Bereichen, was neue Geschäftsmodelle ermöglicht. Dazu gehört, dass die digitalen Newcomer viele Daten erfassen und Händlern detaillierte Kundenstatistiken liefern können. Weil Fintechs bewährte Unternehmensstrukturen überflüssig machen, wird von disruptiven Technologien gesprochen.
Robo Advisor in Deutschland
Jahr | Verwaltetes Vermögen |
2017 | 0,76 Mrd. Euro |
2018 | 1,8 Mrd. Euro |
2019 | 4,19 Mrd. Euro |
2020 | 8,31 Mrd. Euro |
2021 | 15,26 Mrd. Euro |
2024e | 22,37 Mrd. Euro |
2026e | 31,98 Mrd. Euro |
Risiken neuer Geschäftsideen
Viele Fintechs sind bereits börsennotiert oder kurz davor. So können Anleger direkt in die neuen Finanz-Geschäftsmodelle investieren. Dabei gibt es jedoch viele Unbekannte und somit Risiken: Vorab lässt sich nicht abschätzen, welche Technologien und welche Unternehmen sich erfolgreich durchsetzen werden. Außerdem sollten Anleger Traditionsunternehmen nicht unterschätzen, denn sie verfügen über Kapital, um auch neue Ideen wirkungsvoll aufgreifen zu können.
Finanzpionier Paypal
Zunächst folgt ein Blick auf den Finanz-Dinosaurier Paypal. Der Zahlungsdienstleister ist ein Beispiel dafür, wie Fintechs ihre Geschäftsmodelle nahezu unbegrenzt erweitern können. Groß geworden war das Unternehmen innerhalb der Auktionsplattform eBay. Paypal ist im US-Technologieindex Nasdaq und im S&P 500-Index vertreten.
Kryptowährungen bereits integriert
Kunden können längst nicht mehr nur mit Paypal bezahlen. Sie können auch Geld wie auf einem Bankkonto verwahren. Paypal ist zudem Treuhänder und übernimmt so Ausfallrisiken und bietet Ratenzahlungen sowie Währungswechsel an. Mehr als 100 reguläre Währungen sowie Kryptowährungen werden unterstützt. Geschäftsleute können Kredite von Paypal erhalten.
Internetgiganten entdecken Finanzen
Ihr großes technisches Knowhow lässt auch Internetschwergewichte in den Finanzsektor vordringen. Anleger, die in die im Dow Jones Index gelistete Apple-Aktie oder in Amazon, Facebook oder den Google-Mutterkonzern Alphabet investieren, können ebenfalls vom Fintech-Boom profitieren.
Schließlich entwickeln die großen Player eigene Bezahllösungen wie Apple Pay inklusive Kreditkarte, Google Pay oder Amazon Pay. Sie verzahnen die Finanz-Services eng mit ihren Sprachassistenten, ihren Handys und Wearables wie Smartwatches.
Kommt die private Weltwährung?
Für ein Branchenbeben haben die Facebook-Pläne für eine globale Währung namens Libra gesorgt. Der Socialmedia-Gigant könnte damit schnell einen großen Marktanteil im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr erlangen – vorbei an etablierten Banken. Die Blockchain-Technology soll schnell, preiswert und dezentral arbeiten.
Fintech-Buzzwords
Challenger Bank | Technologieorientierte Banken, die Traditionsbanken herausfordern. |
Crowdinvesting/Crowdlending | Viele Geldgeber finanzieren Unternemen oder vergeben Kredite, bankenunabhängig über Onlineplattformen vermittelt |
Mobile Banking | Bankgeschäfte über Mobilgeräte |
Mobile Payment | Bezahlen mit dem Smartphone |
Social Trading | Anleger teilen automatisiert Investment-Entscheidungen |
E-Wallet | Apps/Technik zum Speichern von Digitalwährungen |
Traditionsfirmen fördern Start-ups
Auch in Kreditkartenanbietern wie American Express, Master Card und Visa steckt längst „Fintech“. So besitzt American Express das deutsche Kundenbonusprogramm Payback, welches tagtäglich das Kaufverhalten von Millionen Menschen analysiert. Visa und Master Card bieten Fintechs Partnerschaften an, um sich Technologie und Geschäftsmodelle zu sichern.
Deutsche Fintech-Aktien
An der Börse locken alte und neue Fintechs. An der deutschen Börse findet sich die breit aufgestellte Hypoport (WKN 549336). Die Berliner betreiben den gewerblichen Kreditmarktplatz Europace, das Portal Vergleich.de, Dr. Klein-Finanzdienstleistungen sowie eine Onlineplattform für Versicherungsmakler.
Flatexdegiro (WKN FTG111) ist ein Urgestein und ist Vorreiter im kostengünstigen Onlinebroking zu Fixpreisen ohne Beratung. Die im SDAX gelistete Gruppe hat Ende 2019 den niederländischen Broker Degiro übernommen.
Bitcoin-Marktplatz aus Herford
Kryptowährungen elektrisieren derzeit viele Anleger. Wer nicht direkt in Digitalwährungen investieren will, kann sich die Bitcoin Group (WKN A1TNV9) aus Herford ansehen. Zu ihren Beteiligungen gehören der Krypto-Marktplatz Bitcoin.de, die Futurum-Wertpapierhandelsbank als Betreiber und die Honorar-Anlageberatung Sineus. Außerdem besitzt das Unternehmen selbst Kryptovermögen in Millionen-Höhe.
Ausgewählte deutsche Fintech-Aktien
Unternehmen | Umsatz | Bereich | Börsengang |
Bitcoin Group | 15 Mio. Euro | Krypto/Blockchain | 2016 |
Creditshelf | 5 Mio. Euro | Kreditvermittlung | 2018 |
Deutsche Familienversicherung | 115 Mio. Euro | Versicherungen | 2018 |
Flatexdegiro | 260 Mio. Euro | Onlinebroker | 2009 |
Hypoport | 390 Mio Euro | Unternehmenskredite | 2007 |
Creditshelf (WKN A2LQUA) aus Frankfurt am Main ist seit 2018 an der Börse und betreibt die gleichnamige Finanzplattform. Darüber vermittelt das Unternehmen seit 2014 bankenunabhängig und digital Kredite an kleine und mittelständische Unternehmen.
Ebenso lange ist die Fintech-Aktie der DFV Deutschen Familienversicherung (WKN A2NBVD) handelbar. Das Fintech oder Insurtech sieht sich als Pionier im digitalen Versicherungswesen. Kunden können Krankenzusatzversicherung, Zahnzusatzversicherung oder Unfallversicherung online abschließen.
Wirecard-Aktie als Zockerpapier
Wie ein Geist schwebt über allem die Wirecard AG (WKN 747206). Die Aktie des einstigen globalen Zahlungsdienstleisters, ist nur noch ein untotes Zockerpapier. Das langjährige Vorzeige-Fintech ist insolvent und steht für einen mutmaßlichen Milliarden-Betrug: Die Wirecard AG war bis in TecDAX und DAX aufgestiegen.
Doch offenbar existierte vor allem das Asien-Geschäft ganz oder teilweise nur auf dem Papier. 1,9 Milliarden Euro fehlen. Was genau dahinter steckt, wissen wohl nur die einstigen Wirecard-Vorstände Markus Braun und der untergetauchte Jan Marsalek.
eBay setzt auf niederländische Adyen
Früherer Konkurrent von Wirecard ist Adyen aus den Niederlanden. Der international aktive Zahlungsdienstleister hat sich zum Milliardenunternehmen entwickelt. Adyen ist seit 2018 börsennotiert und mittlerweile ein enger Partner der Auktionsplattform eBay.
Ganz vorn mischt auch der börsennotierte Zahlungsdienstleister Worldline aus Frankreich mit. Zu nennen wäre ebenso die dänische SimCorp. Das Unternehmen entwickelt Software, um Investments zu managen. Eine Fintech-Aktie ist auch Paysafe aus UK. Das Unternehmen entwickelt E-Wallets zur Währungsaufbewahrung.
Neue Fintech Aktien in Sicht
Weitere Börsengänge werden erwartet. IPO-Kandidaten sind die Business-Bezahlplattform Stripe aus den USA, die schwedische Klarna und die amerikanische Onlinebank Chime. An ihr könnte sich die deutsche Mobilbank N26 orientieren, die auch als Börsenkandidat gilt.
Start-ups sind Milliarden US-Dollar wert
Ähnlich sieht das mit der US-Tradingplattform Robinhood aus, die junge Leute begeistert. Dem Beispiel könnte das derzeit wertvollste deutsche Fintech, der deutsche Mobilbroker Trade Republic, eines Tages folgen.
Weniger Risiko mit Fintech-Fonds
Neben einzelnen Fintech-Papieren bieten sich Fonds an. Dazu gehört der Robeco FinTech, der unter anderem an Paypal, Worldline, Discover und Global Payments beteiligt ist. Blackrock hat einen Fintech-Fonds aufgelegt, der unter anderem auf Capital One Financial Group, American Express und Fiserv setzt. Invesco baut mit einem ETF den KBW Nasdaq Fintech-Index synthetisch nach.
Fintech-Investmentsfonds
Fonds | WKN | Anlagevolumen | Aufgelegt |
Blackrock FinTech | WKN A2N4KR | 350 Mio. USD | 2018 |
Invesco Nasdaq-Fintech | WKN A2DHWJ | 78 Mio. USD | 2017 |
Robeco FinTech | WKN A2JB16 | 1,5 Mrd. Euro | 2017 |
Börsen-Mäntel wollen Fintechs kaufen
Eine weitere Möglichkeit sind so genannte SPAC. Bei den Special Purpose Acquisition Companies handelt es sich um leere Börsenmäntel. Über den Börsengang wird Geld eingesammelt, um damit dann beispielsweise innerhalb von zwei Jahren passende Firmen zu übernehmen.
Anleger kaufen Blackbox
Das SPAC-Modell ist derzeit populär und wird auch im Fintech-Sektor eingesetzt. Ein Beispiel ist das SPAC European FinTech IPO Company (EFIC1) des ehemaligen Commerzbank-Vorstands Martin Blessing. Und auch der frühere Chef der Börse London hat SPAC-Pläne. Allerdings kaufen SPAC-Anleger eine Blackbox mit kaum kalkulierbarem Risiko.