Liebe Leserinnen und Leser,
Öl gilt immer noch als das „schwarze Gold“. Da passt es ins Bild, das der Marktpreis des fossilen Brennstoffs in den letzten Wochen eine auffallende Stärke gezeigt hat. Für Aktien wie Shell ist das prinzipiell eine gute Nachricht. Dazu aber gleich mehr.
Zunächst: Zwischen Ende Juni und Mitte September stieg der Ölpreis um satte 27 Prozent auf 92,4 US-Dollar je Barrel (Brent, Stand: 14.09.2024, 8:30 Uhr). Die Gründe für den Anstieg sind freilich vielfältig. Auf der einen Seite steht das mächtige Kartell OPEC+, zu dem Erdölgiganten wie Saudi-Arabien, Iran, Irak, die Vereinigten Arabischen Emirate, Venezuela, Indonesien, Russland und Kasachstan gehören. Die Organisation hat traditionell ein Interesse daran, dass der Ölpreis möglichst hoch notiert, um die eigenen Gewinnmargen aufzupolieren.
Ölpreis: OPEC+ drückt beim Output auf die Bremse
Das erreicht die OPEC+, indem sie ihre Fördermengen künstlich absenkt, um eine gewisse Verknappung des Marktes zu begünstigen. Und eben solche Drosselungen forciert das Kartell seit einiger Zeit. Bereits 2022 hatten die Mitgliedsstaaten damit angefangen, ihr Angebot zu begrenzen. Damit reagierten Ölländer wie Saudi-Arabien auf die Konjunktursorgen in wichtigen Volkswirtschaften. Denn: Läuft die wirtschaftliche Entwicklung nur mäßig, sinkt die Nachfrage nach Öl.
Inzwischen aber gibt es Hoffnung, dass die Weltwirtschaft trotz aller Krisen vergleichsweise glimpflich davonkommt. Die OPEC etwa prognostiziert für das Weltwirtschaftswachstum in 2024 einen Wert von +2,7 Prozent. Im kommenden Jahr sollen es demnach +2,6 Prozent aufwärts gehen.
Während Staaten in Europa – darunter insbesondere Deutschland – derzeit in die Bredouille geraten, können andere Länder diese Schwäche mehr als kompensieren. Vor allem die Schwellenstaaten wie Indien und Brasilien dürften weiterhin sehr stark wachsen.
Aber auch China wird durchaus Potenzial zugeschrieben. Wegen der grassierenden Immobilienkrise in der Volksrepublik hatte es zwar Bedenken bezüglich der dortigen Konjunkturentwicklung gegeben. Viele Experten verweisen allerdings auf staatliche Programme, die die chinesische Wirtschaft unterstützen dürften. China würde in diesem Szenario weiterhin wachsen können – jedoch nicht ganz auf dem hohen Niveau früherer Jahre.
2024: Öl-Hunger soll steigen
Die OPEC prognostiziert, dass die weltweite Ölnachfrage im nächsten Jahr insgesamt um 2,25 Millionen Barrel pro Tag (bpd) steigen wird. Zuversichtlich ist ebenfalls die US-Energiebehörde EIA gestimmt. Diese erwartet für 2024 eine Nachfrage von täglich 102,3 Millionen Barrel. Das wären 1,3 bpd mehr als 2024.
Weltweit sieht die EIA indes gar eine steigende Ölproduktion im Jahr 2024, trotz der Drosselungen durch die OPEC. Das hat laut der Behörde vor allem damit zu tun, dass die USA derzeit ihren Output erhöhen und dass der Iran wegen der Sanktionen von den OPEC-Kürzungen ausgenommen ist. Trotzdem dürften die globalen Lagerbestände laut EIA sinken, was hohe Ölpreise prinzipiell begünstigt.
Ölpreis: Auf Notenbanken achten
Interessant ist nun die Zinspolitik. Höhere Leitzinsen sorgen dafür, dass Unternehmen ihre Investitionen wegen der gestiegenen Kreditkosten zurückfahren. Das schmälert unterm Strich die Ölnachfrage.
Sollten also die FED oder die EZB alsbald neue, starke Erhöhungen forcieren, könnte das den Ölpreis unter Druck setzen. Das gilt vor allem dann, wenn die Notenbanken das Tempo deutlicher anziehen, als vom Markt erwartet wird.
Aber was heißt das jetzt für Shell?
Wie Sie im Chart sehen können, konnte die Shell-Aktie auf 6-Monats-Sicht zwar zulegen. Es offenbart sich allerdings eine relativ starke Volatilität:
Shell Aktie Chart
Der Grund: Die bestehenden Unsicherheiten für den Ölpreis (Zinsen, Konjunktur) machen den Kapitalmarkt nervös. Zuletzt hatte sich Shell operativ durchaus noch lukrativ präsentiert. Im zweiten Quartal 2024 fuhr der Ölgigant immer noch recht gute Gewinne ein – wenngleich nicht auf dem Niveau des enorm starken Vorjahreszeitraums:
Nettogewinn je Quartal von Shell
Was aktuell für Shell spricht: Die weltweiten Lagerbestände bei wichtigen Öldestillaten wie Diesel sind laut der Nachrichtenagentur Reuters derzeit niedriger als normal für diese Jahreszeit. Das könnte die Kraftstoffpreise weiter antreiben und gleichsam die Gewinnmargen für Shell in dessen Raffinationsgeschäft.
Ebenfalls positiv für den Ölgiganten: Der Luftverkehr hat nach Ende der Corona-Pandemie deutlich schneller wieder angezogen, als Experten in Aussicht gestellt hatten. Daraufhin steigen der Kerosinverbrauch und somit auch die Ölnachfrage.
Shell-Aktie: die grüne Herausforderung
Noch Ende 2022 hatten viele Experten den Ölpreis auf dem absteigenden Ast gesehen. Und tatsächlich krachten die Notierungen in der ersten Jahreshälfte 2024 unterm Strich deutlich ein. Doch inzwischen gibt es durchaus Hoffnung, wonach sich die Weltwirtschaft als Ganzes resilienter zeigt als gedacht.
Natürlich gibt es nach wie vor Risiken für den Ölpreis. Ein Selbstläufer ist die Shell-Aktie deshalb meiner Meinung nach eher nicht – wenngleich die Dividendenrendite und das Kurs-Gewinn-Verhältnis immer noch recht attraktiv sind.
Die größte Herausforderung von Shell liegt ohnehin nicht im Ölgeschäft, sondern in der politisch forcierten Abkehr von dem fossilen Brennstoff. Der Konzern muss mit Blick auf die immer schärferen Klimaregularien seine bislang wohl größte Transformation angehen. Langfristig heißt das: mehr Erneuerbare Energien, mehr Biokraftstoffe, mehr Investitionen in die Ladeinfrastruktur für Elektroautos und mehr grüner Wasserstoff.
Diese Milliardeninvestitionen in die Zukunft entscheiden über die langfristige Existenz des Mega-Konzerns. Umso wichtiger ist es, dass Shell weiterhin hohe Gewinne auch durch Öl generiert, um diese grüne Ausgabenlast bewältigen zu können.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihren Investments,
Marco Schnepf
Redaktion Finanztrends
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