Morgens um neun Uhr ist das Interview angesetzt. SFC Energy CEO Dr. Podesser steht noch im Stau, führt das Interview per Freisprechanlage flexibel am Steuer. Ein Sinnbild für den aktuellen Zustand der Wasserstoff-Branche, man steht im Stau – tritt auf der Stelle. Bekannte Vertreter wie Nel ASA oder Plug Power schreiben rote Zahlen, bleiben hinter den Erwartungen zurück. Doch SFC Energy zeigt, wie es funktionieren kann, und überzeugt operativ und an der Börse mit einer Mischung aus wettbewerbsfähigen Produkten und einer zugeschnittenen Wachstumsstrategie. Im exklusiven Interview mit Firmenchef Dr. Podesser wird deutlich, was den CEO bewegt und warum SFC Energy ambitioniert in die zweite Jahreshälfte startet.
Eine umkämpfte Branche
Egal ob in der Autoindustrie oder in der Wasserstoff-Branche – aktuell scheinen immer wieder chinesische Konkurrenten die europäische oder amerikanische Konkurrenz ausstechen zu können. Beim milliardenschweren NEOM-Projekt von Saudi-Arabien zur grünen Wasserstoffproduktion entgehen Thyssenkrupp Nucera oder Sunfire voraussichtlich lukrative Deals in Millionenhöhe. Wichtige Komponenten zur Produktion werden stattdessen von chinesischen Firmen wie Envision oder Jinko Power geliefert. Daher überrascht es nicht, dass SFC-Energy einen genauen Blick auf Konkurrenzprodukte aus Asien hat.
SFC Energy bleibt kompetitiv
Auch Dr. Podesser beschäftigt die massive Investitionswelle in China im Bereich der Wasserstofferzeugung und inwiefern sich der Markt für mobile Brennstoffzellensysteme dadurch wandelt. „Heute ist es so, dass durchaus erste Pilotsysteme sowohl in Nordamerika als auch in Europa am Markt sind, die Lebensdauer dieser Produkte liegt jedoch etwa nur bei einem Zehntel der Betriebsstunden, die wir unseren Kunden garantieren können“.
SFC Energy Aktie Chart
Viel Energie und lange Energie
Der CEO verrät, dass entscheidend für die hohe Qualität der Produkte einerseits die Zusammensetzung ist und andererseits das richtige Verhältnis von Wirkungsgrad und Betriebsdauer. „Die Brennstoffzelle ist von ihrem technologischen Profil sehr gut darin viel Energie über lange Zeit zur Verfügung zu stellen, indem wir das Produkt hybridisieren. (…) weil die Batterie wiederum als Speicher sehr gut ist in der Leistungsdichte, sprich viel elektrische Leistung über einen definierten Zeitraum bietet“.
Die Mischung machts!
Das richtige Ausbalancieren scheint der Schlüssel zum Erfolg zu sein. Auch bei der auf den ersten Blick scheinbar relativ ineffizienten Direktmethanol-Brennstoffzelle. „Wir sind hier mit einem Wirkungsgrad von im Schnitt rund 33 Prozent im industriellen Vergleich sehr gut aufgestellt. Entscheidend ist jedoch, die Energie über eine lange Zeit zu generieren und nicht den letzten Prozent Wirkungsgrad herauszuholen“, so der CEO. Denn höhere Wirkungsgrade würden klar zulasten der Betriebsdauer gehen. Auch hier scheint SFC Energy also das richtige Verhältnis gefunden zu haben.
Mehrere Faktoren ausschlaggebend
Ein weiterer Vorteil der Direktmethanol-Brennstoffzelle ist für Dr. Podesser die hohe Verfügbarkeit und der niedrige Preis für Methanol. Auch sei der organische Alkohol als flüssiger Treibstoff viel leichter distribuierbar und damit mit weniger Mehrkosten in der Logistik verbunden als zum Beispiel gasförmiger Wasserstoff, der in mit Druck beaufschlagten Tanks transportiert werden muss.
Ein ständiges Abwägen
Doch Methanol ist für den SFC CEO trotzdem ein Kostenfaktor, den es im Blick zu behalten gilt: „In unseren Tankpatronen darf Methanol durchaus mehr kosten, weil wir das Ganze sehr sicher technisch verpacken müssen“. Einer der Gründe, warum die Firma in den vergangenen Jahren dezentrale Wertschöpfungsketten in Nordamerika und Asien aufgebaut hat, um so „die Kosten mehr in Relation zum regionalen Bedarf zu bringen“.
In den kommenden Tagen erfahrt ihr exklusiv in unserem WhatsApp-Kanal, warum diese Strategie klar die Handschrift von Dr. Podesser trägt.
Ein klarer Vorteil
Ein weiterer natürlicher Burggraben gegen asiatische Konkurrenzprodukte liegt aber auch in der Zusammensetzung der Kundschaft. „Ein Großteil unserer Kunden sind behördennah oder in Verteidigungsanwendungen aktiv, also sicherheitskritischen Applikationen. Da kommt eine Supply Chain aus China in vielen Fällen einfach nicht in Frage“. Für Dr. Podesser bietet dieser Markt viel Potenzial, es gilt auf Verteidigungsseite, in Europa selbstständiger zu werden und unabhängiger von den USA.
Die vielversprechende Position im Markt
Erst kürzlich ging das Unternehmen eine Kooperation mit Vertiv ein, um für Telekommunikation und kritische Infrastrukturen ein gemeinsames Produkt zur Notstromversorgung zu entwickeln. SFC Energy scheint in einem wachstumsträchtigen Energieversorgungs-Markt mit einer Mischung aus Wasserstoff und Rüstung – die mobilen Brennstoffzellen der Firma finden beispielsweise zunehmend Anwendung bei Militärfahrzeugen – überzeugen zu können.
Ein Schritt zurück, drei nach vorne?
Nach einem rückläufigen Umsatz von 3,6 Prozent im ersten Quartal 2025 ging es für die SFC Energy Aktie zuletzt schlagartig um 12 Prozent herunter. Steckt die Aktie aufgrund der Q1-Ergebnisse also aktuell ebenfalls in einem kleinen Stau? Die ernüchternde Stimmung an den Börsen scheint für Dr. Podesser aber kein Grund zur Sorge zu sein. „The best is yet to come“, kündigt der CEO an. Für ihn wird SFC Energy in den kommenden Monaten weiter an Fahrt aufnehmen. Auf Jahressicht liegt die Aktie trotz des Stimmungsdämpfers über 30 Prozent im Plus.