Patrick Vogel (Schroders): Warum Anleihen eine Phase tiefer Unsicherheit verkraften können

16.03.2024 – Nachdem die Anleihemärkte aufgrund der zunehmend restriktiven Haltung der Zentralbanken und des weiterhin hohen Inflationsdrucks bereits einige Turbulenzen erlebten, müssen sie sich nun auch noch mit einer schweren geopolitischen Krise und den Folgen eines brutalen Krieges auseinandersetzen.

Wohin der Strudel der russischen Invasion in der Ukraine und die Antwort des Westens letztendlich führen, ist höchst ungewiss. Klar ist, dass er bereits einen bestürzend hohen menschlichen Preis fordert. Darüber hinaus wird es zahlreiche Auswirkungen auf die regionale und weltpolitische Ordnung geben, die sich erst im Laufe der Zeit manifestieren werden.

Als Anleiheinvestoren ist es unsere Aufgabe, besonnen zu bleiben und uns auf die Fundamentaldaten der Anlageklassen und die Unternehmen zu konzentrieren, in die wir investieren. Aus dieser Perspektive müssen wir darüber entscheiden, wie wir uns angesichts der potenziellen Marktverwerfungen positionieren.

Anleihen unter Druck

Für die Anleihemärkte verstärkt der Konflikt in der Ukraine den ohnehin schon erheblichen Druck. Die Renditen von Staatsanleihen stiegen Anfang des Jahres stark an, um eine aggressive Zinsstraffung im Zuge der restriktiveren Zentralbankrhetorik einzupreisen. Die europäischen Renditen haben ihre frühere Bewegung in den letzten Tagen erheblich umgekehrt, sind aber weiterhin höher als zu Jahresbeginn.

An den Anleihemärkten kam es in den letzten Wochen zu Mittelabflüssen, da sich die Spreads ausweiteten. Dies verlief größtenteils relativ geordnet, da der Markt versuchte, sich angesichts positiver Gewinnmeldungen zu stabilisieren und die Volatilität von Schwellenländeranleihen begrenzt blieb.

Steigende Renditen und Spreads haben jedoch seit Jahresbeginn zu deutlich negativen Gesamtrenditen geführt. Vor allem Europa wurde überrascht, als die Europäische Zentralbank ankündigte, die Wertpapierkäufe im dritten Quartal zu beenden, „kurz vor“ der Anhebung der Zinsen.

Mit der geopolitischen Eskalation drehte sich die Stimmung vorübergehend in Richtung Panik, obwohl die eigentliche Invasion noch gar nicht stattgefunden hatte. Nicht von ungefähr reagierten die europäischen Anleihemärkte stärker als die USA, um die Risiken im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine „einzupreisen“.

Wie sehen wir die Makrosituation?

Die Ereignisse auf makroökonomischer Ebene sind sehr ungewiss und ändern sich schnell. Wir können den Verlauf des Ukraine-Konflikts nicht vorhersagen. Allmählich machen wir uns jedoch ein Bild über das Ausmaß der Risiken für die europäische Wirtschaft und die möglichen Auswirkungen auf die Geldpolitik.

Die Risiken im Zusammenhang mit Europas Abhängigkeit von russischer Energie treten nun offen zutage und zeigen sich in der Underperformance des europäischen Marktes. Die Dauer des Krieges und der Einfluss auf die Energiepreise werden ein entscheidender Faktor für das europäische Wachstum sein. Hier und heute geht es um die Frage, wie hoch die Energiepreise steigen werden.

Es besteht die dringende Notwendigkeit, die europäische Energieversorgung außerhalb Russlands zu sichern. Kurzfristig erscheint dies schwierig, denn weder der Import aus anderen Ländern noch die rasche Einsparung fossiler Energieträger – das langfristige Ziel – ist ohne Weiteres zu bewerkstelligen.

Im Hinblick auf die Energiepreise ist Europa im Vergleich zu anderen Teilen der Welt im Nachteil. Großbritannien importiert wenig Energie aus Russland, während die US-Wirtschaft so gut wie autark ist. Die wichtigste Schlussfolgerung ist ein erhöhtes Risiko einer Stagflation in Europa. Es wird erwartet, dass es innerhalb Europas steuerliche Hilfen für Verbraucher und Unternehmen geben wird, um den Energieschock abzuwehren.

Was die Geldpolitik betrifft, rechnete der Markt 2024 mit sechs Zinserhöhungen in den USA und einem Zinsschritt in Europa. Diese Prognose schien hoch gegriffen und hat sich inzwischen abgeschwächt. Die Krise, der wirtschaftliche Schock und die nachteiligen Auswirkungen auf das Vertrauen könnten die Zentralbanken dazu veranlassen, ihre Zinserhöhungen abzumildern. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit einer fiskalischen Unterstützung. Diese würde vermutlich darauf abzielen, die Belastung durch höhere Energie- und Lebensmittelkosten für die Verbraucher zu lindern.

Die Bewertungen spiegeln eindeutig das niedrige Wachstum und die Rezessionsgefahr in Europa wider, aber die Dauer des Krieges und die Art der fiskalischen Unterstützung werden hier entscheidend sein. Die Tatsache, dass die Inflation ebenfalls steigen wird, macht den Balanceakt für die Zentralbanken umso heikler.

Anleihen attraktiv bewertet, Fundamentaldaten robust

Insbesondere die Bewertungen von Anleihen erscheinen uns mittlerweile reizvoller. Die Renditen liegen jetzt auf einem attraktiven absoluten Niveau und bieten sogar bessere Ertragsaussichten als Aktien. Der Unterschied zwischen der Brutto-Dividendenrendite des Euro Stoxx 600 und der Rendite von Investment-Grade-Anleihen in Euro ist mit derzeit etwas über 1,0 % der geringste seit fast einem Jahrzehnt. Hybride Unternehmensanleihen (wie zum Beispiel ewige Anleihen ohne festes Fälligkeitsdatum) werfen die gleiche Rendite ab wie Aktien.

Bei Euro-Hochzinsanleihen (d. h. niedriger eingestuften Titeln) ist ein Renditeaufschlag von 2 % der höchste seit Anfang 2016, mit Ausnahme von März 2020. In den USA schneiden Unternehmensanleihen mit Investment Grade mit einer Rendite von 3,2 % besser ab als die Dividendenrendite von 1,9 % des S&P 500 Index.

Anleihen können auch zur Diversifikation dienen, falls das Wachstum stärker ins Stocken geraten sollte als erwartet. Die regelmäßigen Erträge bieten ein gewisses Polster, zumal höher eingestufte Unternehmensanleihen weniger wachstumsempfindlich sind als Aktien. Diese Faktoren dürften Anleihen für eine breitere, nicht spezialisierte Anlegerbasis attraktiv machen, was institutionelle Investoren oder Multi-Asset-Fonds dazu bringen könnte, ihre Allokationen zu erhöhen.

Es gibt nach wie vor Anzeichen für eine solide Aktivität in den zugrunde liegenden Volkswirtschaften Europas, und insbesondere die USA und China haben mit einer geldpolitischen Lockerung begonnen. Dies wirkt sich positiv auf die Fundamentaldaten der Unternehmen aus und stützt die Gewinne, die sich auf Rekordniveau befinden. Auch die Bilanzen sind ausgesprochen gesund, da sich die Unternehmen im vergangenen Jahr zu niedrigen Zinsen refinanziert haben. Bei Investment-Grade-Anleihen in Euro beträgt die Zinsdeckung (EBITDA zu Zinsaufwand) mehr als das Zehnfache. Das Marktniveau impliziert eine höhere Ausfallquote, als aufgrund der Fundamentaldaten wahrscheinlich ist.

Gleichzeitig muss man immer selektiver vorgehen. Die Unternehmen sind mit steigenden Inputkosten konfrontiert, was sich noch verschärfen könnte, wenn die Energiepreise weiter zulegen. Dies wirkt sich allmählich auf die Einnahmen aus.

Welche Branchen sind gut aufgestellt?

Wir glauben, dass Sektoren mit inhärenten defensiven Eigenschaften wie Inflationsschutz und solider Vermögenssubstanz gut positioniert sind.

Im Immobilienbereich zum Beispiel sind die Mieten vieler Unternehmen mittelfristig an die Inflation gekoppelt, und Logistik- und Wohnungsgesellschaften profitieren aus unserer Sicht von der anhaltend starken Nachfrage. Covenants in den Anleihedokumenten begrenzen den Verschuldungsrad in dem Sektor, und die Unternehmen zeichnen sich durch gut diversifizierte Immobilienportfolios aus. Derzeit weisen einige Anleihen von Immobilienunternehmen höhere Renditen auf als die zugrunde liegenden Immobilienanlagen. Diese Situation dürfte sich korrigieren und bietet Anleiheinvestoren ein entsprechendes Wertpotenzial.

Ein ähnliches Beispiel ist die Infrastruktur, d. h. Betreiber von Vermögenswerten wie Mautstraßen und Telekommunikationsmasten, deren Einnahmen oft an die Verbraucherpreisinflation geknüpft sind.

Die meisten Anlagen sind in Betrieb und die Erhaltungsinvestitionen sind relativ gering, sodass die Cashflows vorhersehbar sind. Eine mögliche Erholung des Tourismus in Teilen Europas in diesem Sommer, nachdem die Beschränkungen gelockert wurden, und die Einführung von 5G sorgen hier für zusätzliche Einnahmen. Diese Anleihen standen bislang unter Druck.

Der Energiesektor verzeichnet durch die höheren Öl-, Gas- und Strompreise einen starken Umsatz- und Gewinnschub. Wir sehen gute langfristige Argumente für integrierte Energieunternehmen, die den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Netto-Null-Zukunft anstreben. Trotz Rekordgewinnen und geringer Verschuldung mussten Anleihen des Energiesektors starke Kurseinbrüche hinnehmen, die in einigen Fällen angesichts der Fundamentaldaten nicht gerechtfertigt waren.

In Asien dürften die Marktverwerfungen aufgrund der geopolitischen Spannungen attraktive Gelegenheiten bieten, vor allem im indischen Sektor für erneuerbare Energien, wo die hohe Nachfrage weiterhin den Fundamentaldaten zugutekommen wird.

Anleihen können sich stabilisieren

Abgesehen von der menschlichen Tragödie der aktuellen Situation herrscht im Moment eine große Unsicherheit, bedingt durch zahlreiche Faktoren, die sich rasch verändern.

Angesichts des insgesamt weiterhin günstigen Wachstums und der guten Fundamentaldaten der Unternehmen sehen wir Potenzial, dass Anleihen sich stabilisieren und mit der Zeit besser entwickeln. Wir bleiben von starken Sektoren und Unternehmen überzeugt, die die nötigen Eigenschaften besitzen, um schwierige Umstände zu überstehen. Dabei achten wir auf Gelegenheiten, wo die Bewertungen von den Fundamentaldaten abgekoppelt sind.

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