Die Ölpreise sind in den vergangenen Tagen wieder deutlich zurückgekommen. Während sich Autobesitzer über sinkende Spritpreise freuen, fragen sich Anleger, ob die Hausse an den Ölmärkten vorüber ist. Am Montag lag der Preis für ein Fass (159 Liter) der US-Sorte Western Texas Intermediate (WTI) bei 110,33 Dollar, während die Nordseesorte Brent für 114,18 Dollar je Barrel gehandelt wurde.
In der vergangenen Woche hatten die beiden für den Weltmarkt entscheidenden Ölsorten noch ein 3-Monats-Hoch erklommen und die im März markierten Mehrjahreshochs ins Visier genommen. Seitdem ging es für WTI und Brent aber kräftig abwärts. Während Öl der Nordseesorte Brent in der Spitze rund 9 Prozent verlor, büßte WTI sogar knapp 11 Prozent ein.
Harter Straffungskurs der Fed schürt Rezessionsängste
Der aggressive Straffungskurs der Federal Reserve Bank hat Ängste vor einer weltweiten Rezession heraufbeschworen. Es wird befürchtet, dass die hohen Kreditkosten für Investition und Konsum zu einem wirtschaftlichen Abschwung führen und eine Rezession damit immer wahrscheinlicher wird.
Um der horrenden Inflation Herr zu werden – im Mai sind die US-Verbraucherpreise im Jahresvergleich um 8,6 Prozent gestiegen –, haben die obersten Währungshüter entschieden den Leitzins auf einen Schlag um weitere 75 Basispunkte anzuheben. Nach mittlerweile drei Zinsschritten bewegt sich das Zinsniveau damit in einer Spanne zwischen 1,5 und 1,75 Prozent. Bis zum Jahresende sind weitere Erhöhungen vorgesehen, die den Zinssatz auf ein Niveau von 3,4 Prozent heben sollen.
Europäische Zentralbank läutet Zinswende ein
Auch in anderen Volkswirtschaften wird der geldpolitische Schwenk vollzogen. Nach langem Zögern hat zuletzt auch die Europäische Zentralbank die Zinswende eingeläutet und will im Juli erstmals seit fast elf Jahren die Zinsen anheben, in einem ersten Schritt um 25 Basispunkte. Im September ist ein zweiter Zinsschritt vorgesehen. Wie stark dieser ausfällt, hängt von den dann vorliegenden mittelfristigen Inflationsaussichten ab. Es ist also auch ein stärkerer Zinsschritt als die üblichen 25 Basispunkte möglich.
Internationale Energieagentur sieht schwarz
Die Gefahr einer Rezession hat in der vergangenen Woche auch die Internationale Energieagentur (IEA) in Aufruhr versetzt. Sie warnte angesichts der hohen Energiekosten und düsterer Wirtschaftsprognosen vor einem Rückgang des Nachfragewachstums. „Wirtschaftsängste bestehen fort, da verschiedene internationale Institutionen kürzlich pessimistische Prognosen veröffentlicht haben“, hieß es vonseiten der Behörde.
Hinzu käme die Straffung der Geldpolitik, die sich durch steigende Zinsen und den starken Dollarkurs negativ auf die Kaufkraft von Schwellenländern auswirke. Dies führe dazu, dass die Risiken für die Prognose der IEA abwärts gerichtet sind.
Verkaufsinteresse ebbt beim EMA50 ab
Dass Warnungen der Internationalen Energiebehörde an den Ölmärkten nicht ohne Folgen bleiben, hätte man auch sich denken können. Der Rücksetzer hat WTI und Brent nun bis zur 50-Tage-Linie zurücklaufen lassen, an der das Verkaufsinteresse aber augenscheinlich zurückgeht. Brent gewann am Montag fast ein Prozent hinzu und schob sich damit auch wieder über den EMA50 auf Tagesbasis.
Bei WTI fielen die Gewinne mit 0,22 Prozent deutlich geringer aus. Das mag darin liegen, dass an der Wall Street aufgrund eines Feiertages nicht gehandelt wurde und US-Anleger erst am Dienstag wieder ins Marktgeschehen eingreifen. Hierdurch verbleibt WTI zunächst einmal unterhalb des 50-Tagedurchschnitts.
Die Ölpreisrallye könnte trotzdem weitergehen
Trotz des jüngsten Abschwungs und zunehmender Rezessionssorgen könnte die Ölpreisrallye kurzfristig gesehen eine Fortsetzung finden. Das sehen jedenfalls zahlreiche Top-Manager und Analysten von Investmentbanken so. Der CEO der US-Großbank JPMorgan, Jamie Dimon, warnt davor, dass die Ölpreise in diesem Jahr auf 150 bis 175 Dollar steigen könnten. Analysten von Goldman Sachs halten zum Höhepunkt der Urlaubssaison im dritten Quartal Ölnotierungen von durchschnittlich 140 Dollar für möglich.
Während der Energieminister der Vereinigten Arabischen Emirate davon spricht, dass die Ölpreise nicht einmal in der Nähe ihrer Hochs angelangt seien, warnt Jeremy Weir, CEO des Rohstoffhandelsunternehmens Trafigura, vor parabolischen Zuständen. Seiner Ansicht nach haben die Sanktionen gegen russische Ölexporteure die schon zuvor aufgrund von jahrelanger Unterinvestition angespannte Versorgungslage weiter verschärft.
Parabolische Zustände: Steigen der Ölpreis auf 150 Dollar?
Wenn zuvor gestiegene Preise plötzlich auf ein bisher nicht gekanntes Niveau klettern, spricht man von einer parabolischen Marktbewegung. Laut Weir befinde man sich in einer „kritischen Situation“. Er geht davon aus, dass die Ölpreise in den kommenden Monaten auf über 150 Dollar je Barrel steigen könnten. Das würde einem weiteren Anstieg von mehr als 30 Prozent entsprechen.
Hohe Energiekosten belasten mittelfristig die Nachfrage
Schließlich könnten die dauerhaft hohen Energiekosten aber auch zu einer Umkehrung führen und die Nachfrage belasten. Das sieht auch Jeremy Weir so. „Es wird problematisch sein, dieses Niveau zu halten und das globale Wachstum fortzusetzen.“ Geht die Nachfrage zurück, steht auch die Ölpreisrallye vor ihrem Ende. Das würde sich mit den Einschätzungen der Internationalen Energieagentur decken.
- Ölpreise haben in den vergangenen Tagen deutlich nachgegeben
- Die Nordseesorte Brent hat rund 9 Prozent verloren, die US-Sorte WTI sogar knapp 11 Prozent
- Aggressiver Straffungskurs schürt Rezessionsängste
- Wirtschaftlicher Abschwung und hohe Energiekosten könnten Öl-Nachfrage belasten
- Internationale Energieagentur warnt vor einem Rückgang des Nachfragewachstums
- Top Manager und Analysten von Investmentbanken gehen davon aus, dass die Ölpreisrallye kurzfristig gesehen fortgesetzt wird