Liebe Leserinnen und Leser,
wer bei dem weiteren Ausbruch von Nvidia am Donnerstag dabei war, wird vielleicht heute schon Kasse machen – mehr als 20 % Aufschlag schaffte der US-Konzern am Donnerstagvormittag an den Börsen. Eine Sensation, denn die Analysten hatten zuvor das mittlere Kursziel sogar leicht unter den aktuell erreichten Notierungen platziert. Mit anderen Worten: Die Analysten hatten sich schwer geirrt, was das Unternehmen betraf. Das ist nicht verwunderlich. Nvidia ist ein Unternehmen, das geradezu mitten im KI-Boom steht – Analysten haben in verschiedenen Statements im Kern die KI-Phantasie als zu groß bezeichnet.
Der KI-Boom aber ist deutlich größer als echte Blasen, wie sie beispielsweise im Cannabis-Bereich entstanden waren oder aber bei Lithium auf der Hand liegen – solche Segmente leben nicht von einer echten Nachfrage, sondern von den Gerüchten um mögliche, spätere Nachfragen, die teils gar nicht bedient werden können. Wohin der KI-Boom führt, kann derzeit tatsächlich niemand sagen. Bill Gates hält die KI-Entwicklung für eine der größten Revolutionen zusammen mit der Internet-Entwicklung.
Deshalb sind Unternehmen, die wie Nvidia schon vollkommen dabei sind, weil sie Technologie liefern, zumindest von außen schwieriger einzuschätzen. Die Analysten haben sich, wie das Zahlenwerk nun zeigt, komplett geirrt.
Analysten mit sehr schwerem Irrtum bei den Nvidia-Zahlen. Die Quartalszahlen sind umwerfend gut ausgefallen.
Der Irrtum der Analysten bei Nvidia
Analysten haben im Vorfeld der Berichterstattung für das zweite Quartal mit einem Umsatz in Höhe von gut 7,2 Milliarden Dollar für das laufende Quartal gerechnet. Die Schätzung ist – zumindest ist der Eindruck von außen so entstanden – mehr oder weniger eine Fortschreibung der früheren Ergebnisse. Das funktioniert in vielen Bereichen dort, wo Unternehmen Standard-Geschäfte betreiben. Hier indes funktioniert es nicht.
Nvidia sprach in der Telefonkonferenz mit Journalisten davon, der Umsatz würde im laufenden Quartal bis Ende Juli einen Umsatz von ungefähr 11 Milliarden Dollar erreichen. Dabei rechnete er eine Spanne im Umfang von 2 % nach oben oder unten ein. Der schwere Irrtum der Analysten bei Nvidia ist insofern spektakulär, als die durchschnittlichen Erwartungen damit um gut 50 % übertroffen waren.
Solche Fehleinschätzungen können bei kleineren Unternehmen an der Tagesordnung sein, für die kleinere Umsatzbewegungen bei einzelnen größeren Aufträgen plötzlich neue Entwicklungen einläuten. Bei einem Unternehmen, das im Milliarden-Dollar-Umsatz-Bereich agiert, ist dies jedenfalls ungewöhnlich.
Offenbar jedoch haben Analysten den KI-Boom, der in Anwendungen wie ChatGPT sichtbar wird, in der Geschwindigkeit des technischen Bedarfs unterschätzt. Hier werden nicht nur kleinere Bots als weitere Anwendung von Suchmaschinen angeboten, sondern die Arbeitswelt ändert sich in einer fast atemberaubenden Geschwindigkeit.
Dies ist nicht nur in der Projektion für das laufende Quartal sichtbar, sondern auch in den Zahlen für das abgelaufene Quartal. Nvidia hat den Umsatz mit Technologie für Rechenzentren, die unerlässlich für die Entwicklung und das Angebot der KI sind, auf 4,28 Milliarden Dollar nach oben getrieben. Das entspricht einem Anstieg in Höhe von 14 %. Der Gewinn von Nvidia ist im betreffenden – abgeschlossenen – Quartal von 1,62 Milliarden Dollar im Jahr zuvor auf 2,04 Milliarden Dollar gestiegen.
Auch wenn der gesamte Umsatz des Unternehmens um 13 % sank – 6,7 Milliarden Euro setzte Nvidia um -, sind die Zahlen für das abgelaufene Jahr ein Indiz dafür, dass Nvidia vom KI-Boom profitiert. Der Einbruch des Umsatzes ist auf den schwächeren Absatz von Grafikkarten in PCs zurückzuführen. Es werden schlicht weniger PCs verkauft.
Deshalb sind die Zahlen für und von Nvidia wahrscheinlich auch für Analysten schwierig zu greifen. Der KI-Markt wächst nicht nur über einzelne Großkunden, die schon bekannt waren, sondern in Wellen – und ist profitabel. Für das 2. Quartal kündigte Nvidia nicht zufällig einen derartigen Umsatzsprung an.
CEO Jensen Huang feierte die Entwicklung mit den Worten, dass es „unglaubliche Aufträge“ geben würde.
In diesem Sinne aber sind die Zahlen nicht so einfach zu greifen, wie sie in Bilanzanalysen üblicherweise vorliegen sollten. Das wiederum bedeutet auch, dass der Markt und nicht die Bankanalysten die Entwicklung der Aktie selbst antreiben. Der Trend, der sich etwa im Chartbild widerspiegelt, hat in diesem Punkt das richtige Gespür zur Entwicklung des KI-Geschäftes gehabt.
Nvidia Aktie Chart
Die Kursgewinne sind ausgesprochen beeindruckend. Seit Jahresbeginn war es bereits um weit über 100 % aufwärts gegangen. Das absolute Top ist nun erreicht.
Die Kursperformance der Nvidia-Aktie
Entscheidend wird sein, wie sich die Umsatz- und Gewinnentwicklung für Nvidia in diesem sehr großen Boom in den kommenden Monat darstellen wird. Der Trend an den Aktienmärkten jedenfalls ist gigantisch, was auch bedeutet, Nvidia große Vorschusslorbeeren gegeben zu haben. Das Unternehmen hat den GD100, die 100-Tage-Linie, mittlerweile um mehr als 35 % überwunden. Das zeigt, wie stark das Interesse am Aktienmarkt ist.
Die offene Frage bleibt, wie schnell und wie rentabel der Umsatz wachsen wird. Der CEO-Hinweis, die „Aufträge“ seien unglaublich, lässt noch daran zweifeln, wie viele Aufträge im laufenden Quartal zahlungswirksam werden, wie viele im nächsten Quartal zahlungswirksam werden und so fort. Wirtschaftliche Einschätzungen sind derzeit kaum längerfristig zu quantifizieren, Analysten werden ihre Einschätzungen überarbeiten müssen. Allein Trend-Investoren haben es derzeit sehr einfach – der Trend ist stark. Gewinnmitnahmen wären nicht untypisch – allerdings ist dies auf Rekordniveau dann sogar nicht tragisch. Die Augen richten sich derzeit nach oben.