Liebe Leserin, lieber Leser,
es war das versöhnliche Ende einer zwischenzeitlich ernüchternden Woche an der Börse für den chinesischen Elektroautohersteller NIO. In New York ging die Aktie mit einem Plus von knapp drei Prozent auf 11,08 US-Dollar ins Wochenende, wobei es zu echter Euphorie nicht reichte: Das hat zweifellos auch mit einem Gerichtsurteil aus Deutschland zu tun, das ein heimischer Konkurrent erwirkte und die Papiere kurzzeitig einbrechen ließ. Dabei hatte NIO schon vorab klein bei gegeben.
Audi siegt im Namensstreit gegen NIO
Es geht um einen seit Monaten schwelenden Rechtsstreit zwischen NIO und dem deutschen Hersteller Audi, der bei den Typenbezeichnungen des aufstrebenden Konkurrenten aus dem Reich der Mitte Verwechslungsgefahr witterte. ES6 und ES8 nannten die Chinesen zwei ihrer Elektro-Limousinen und planten ursprünglich, sie unter dieser Bezeichnung auch in Deutschland auf den Markt zu bringen. Bei Audi witterte man Gefahr: Die Namen der Modelle seien „viel zu nah dran“ an den Bezeichnungen der eigenen Fahrzeuge S6 und S8. Es bestehe demnach Verwechslungsgefahr.
Das Münchner Landgericht sehe das auch so – und habe am Donnerstag den Markenstreit zugunsten von Audi entschieden, meldete unter anderem die Süddeutsche Zeitung. NIO darf demnach nicht mehr für die Modelle ES6 und ES8 werben. Der zusätzliche Buchstabe E sichere „keine hinreichende Unterscheidungskraft“, urteilte das Gericht.
NIO weicht auf ET5 und EL7 aus
Zwar weiche die angegriffene Gestaltung bei NIO durch den zusätzlichen Buchstaben „E“ ab, erkannten die Richter, das sichere jedoch keine hinreichende Unterscheidungskraft. Zudem sei das „E“ als Abkürzung für „Elektro“ quasi allgegenwärtig, heißt es dazu auf faz.net. Der Buchstabengebrauch betreffe demnach sämtliche Lebensbereiche und sei insbesondere beim Ausbau der Elektro-Mobilität ein Gesellschaftsthema. Deshalb sei zu erwarten, dass Autofahrer darin nur einen Hinweis auf den Motortyp des Fahrzeugs sähen: sie könnten annehmen, „der ES 6 sei die Elektroversion des S6, und beide Fahrzeuge seien vom selben Hersteller“, so der Bericht.
Ob NIO-Käufer diesen Unterschied nicht bemerken würden, sei dahingestellt. Doch das chinesische Start-up, das gegen das Urteil in Berufung gehen könnte, war diesem ohnehin zuvorgekommen. Als das Unternehmen im November 2022 seine Modellpalette präsentierte, die in Europa Interessierte finden soll, war von ES6 und ES8 schon nicht mehr die Rede:
- Vorgestellt wurde eine kleinere Limousine namens ET5 sowie eine größere namens ET7
- Das E-SUV, das in China als ES7 verkauft wird, trägt hierzulande die Bezeichnung EL7
„Unser Thema ist das Produkt und nicht die Modellbezeichnung“, wurde Deutschlandchef Ralph Kranz damals von der FAZ zitiert.
NIO-Aktie reagierte mit Kurseinbruch
Die Anleger reagierten dennoch empfindlich, schickten die Nio-Aktie am Tag der Urteilsverkündung von noch 11,69 Dollar am Vortag im Laufe des Mittwoch bis auf 10,62 Dollar nach unten – ein veritables Minus von fast zehn Prozent.
Nio Aktie Chart
Dass die Aktie mittlerweile wieder jenseits der 11-Dollar-Marke notiert, hat möglicherweise mit einer weiteren Nachricht der Woche zu tun, die für NIO in die Zukunft weist.
NIO und CATL vertiefen Zusammenarbeit
Denn laut Medienberichten hat das Unternehmen am Mittwoch mit dem ebenfalls chinesischen Batteriehersteller CATL eine fünfjährige Vereinbarung über eine umfassende strategische Zusammenarbeit unterzeichnet. Das Abkommen sei eine weitere Vertiefung und Aufwertung der strategischen Partnerschaft, die eine technische Zusammenarbeit für neue Marken, Projekte und Märkte beinhaltet, ließ CATL laut der Anlegerseite Der Aktionär wissen.
Die Unternehmen werden demnach „ein hocheffizientes und synergetisches Batterieliefersystem aufbauen, indem sie ihre jeweiligen Ressourcenvorteile voll ausschöpfen“. Dies soll dazu beitragen, „die Innovationsfähigkeit und Effizienz zu verbessern, den Nutzern von Elektrofahrzeugen ein angenehmeres Fahrerlebnis zu bieten und die globale Wettbewerbsfähigkeit der chinesischen Elektrofahrzeugbranche zu steigern“, heißt es in schönstem Marketingsprech.
BYD-Aktie hält sich, NIO gibt ab
Dass die NIO-Aktie dennoch mit einem Minus aus der Woche gegangen war, während der chinesische Wettbewerber BYD seinen Kursstand verteidigte, könnte wiederum an einer gewichtigen Investorin gelegen haben: Denn laut Börse online hat Fondsmanagerin Cathie Wood in den vergangenen Tagen noch mal kräftig in Tesla investiert. Bereits am vorvergangenen Freitag habe die Starinvestorin für rund 20 Millionen US-Dollar Anteile des US-Elektroautobauers gekauft, nun für weitere 15 Millionen nachgelegt, heißt es.
Was das mit NIO zu tun hat? „Um das Geld für diese massiven Käufe freizuhaben, verkaufte Wood vorwiegend die Position des Konkurrenten aus China ab“, so der Bericht.
Mittleres Kursziel bei 18,57 Dollar
Andere Analysten sind offenbar sehr viel zuversichtlicher, was das chinesische Start-up anbetrifft.
- Das durchschnittliche Kursziel aus 30 Analysen liegt derzeit bei umgerechnet 18,57 US-Dollar
- Die Experten sehen somit ein Potenzial für die Papiere von knapp 70 Prozent
- Der optimistischste geht von 28,75 Dollar aus, was einem Plus von 160 Prozent entspräche
Nicht ganz so hoch ins Kursregal griff Anfang des Monats die Citi Group. Nach einem Gespräch mit dem NIO-Management sieht sie die Papiere laut Der Aktionär bei 23,30 Dollar, was mehr als einer Verdopplung entspräche. Die US-Bank lag allerdings schon einmal mächtig daneben: Im Frühsommer 2022 lag deren Kursziel für NIO noch bei 87 Dollar. Seitdem hat sie ihre Prognose mehrfach nach unten korrigiert.