Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
während die meisten Amerikaner am Thanksgiving-Wochenende Football schauten und Truthahn aßen, verhandelten Netflix-Manager über den wohl bedeutendsten Deal der Unterhaltungsindustrie. Das Ergebnis: 72 Milliarden Dollar in bar und Aktien für Warner Bros. Discovery. Eine Summe, die selbst erfahrene Wall-Street-Banker ins Grübeln bringt.
Der Streaming-Gigant zahlt damit mehr als das Achtfache dessen, was Amazon für Metro-Goldwyn-Mayer auf den Tisch legte. Und mehr als Disney jemals für eine einzelne Akquisition ausgegeben hat. Die Frage ist nicht, ob dieser Deal die Medienlandschaft verändert. Die Frage ist: Wird Netflix damit zum unangefochtenen König der Unterhaltung – oder scheitert die Transaktion an regulatorischen Hürden?
Das entscheidende Wochenende
Warner Bros. hatte drei Bieter in die finale Runde gebeten: Netflix, Paramount Skydance und Comcast. Der Montag nach Thanksgiving war als Frist gesetzt. Alle sollten ihre finalen Angebote einreichen.
Netflix nutzte das verlängerte Wochenende intensiv. Das Unternehmen organisierte eine Bridge-Finanzierung von 59 Milliarden Dollar. Eine der größten Zwischenfinanzierungen der Geschichte. Damit konnte der Streaming-Dienst ein überwiegend cash-basiertes Angebot vorlegen – ein entscheidender Vorteil gegenüber der Konkurrenz.
Bei Warner Bros. hatte man Zweifel an der Finanzierungssicherheit von Paramount. Zwar hatte das Unternehmen eine Finanzierung durch Apollo Global Management und nahöstliche Fonds präsentiert. Doch die Gewissheit über die Zahlungsfähigkeit fehlte den Warner-Verantwortlichen.
Paramount wirft unfairen Prozess vor
Paramount reagierte mit scharfer Kritik. In einem Brief bezeichnete das Unternehmen den Verkaufsprozess als „befleckt“ und warf Warner Bros. vor, Netflix während des Bieterverfahrens zu bevorzugen. Dem Wall Street Journal gegenüber bestätigten mit der Angelegenheit vertraute Personen die Vorwürfe.
Am Donnerstagabend New Yorker Zeit erhielt Netflix die finale Zusage. Um 22:25 Uhr berichtete Bloomberg News bereits von dem bevorstehenden Deal. Die Geschwindigkeit der Abwicklung überraschte Marktbeobachter.
Die strategische Dimension der Übernahme
Netflix zahlt 27,75 Dollar je Aktie. Inklusive der übernommenen Schulden von elf Milliarden Dollar kommt der Deal auf 83 Milliarden. Für diesen Preis erhält das Unternehmen Zugriff auf ein beispielloses Content-Archiv.
Das DC-Universum mit Batman, Superman und Wonder Woman gehört künftig zu Netflix. Ebenso die Harry-Potter-Franchise. HBO, das Qualitätssiegel für Premium-Serien, wird Teil des Netflix-Ökosystems. Dazu kommen 100 Millionen Streaming-Abonnenten über 100 Märkte hinweg. Die alten Kabel-Netzwerke CNN und TNT werden hingegen abgespalten.
Die erwarteten Kostensynergien belaufen sich auf 2,5 Milliarden Dollar jährlich. Das entspricht sechs Prozent des Warner-Umsatzes des Vorjahrs. Diese Einsparungen senken das Bewertungsmultiple von 25 auf 14 bezogen auf das geschätzte EBITDA für 2026.
Das politische Minenfeld
Doch der Deal steht vor gewaltigen regulatorischen Herausforderungen. Das US-Justizministerium wird die Transaktion nach übereinstimmenden Medienberichten untersuchen. Netflix muss eine Auflösungsgebühr von 5,8 Milliarden Dollar zahlen, falls der Deal aus regulatorischen Gründen scheitert.
Der Widerstand kommt von beiden Seiten des politischen Spektrums. Ein republikanischer Senator warnte bereits im November in einem Brief an das Justizministerium vor einer „massiven vertikalen und horizontalen Konsolidierung in einem Sektor mit ohnehin begrenztem Wettbewerb“. Demokraten bezeichneten den Deal als „kartellrechtlichen Albtraum“.
Das Netflix-Management versuchte auf der Investorenkonferenz am Freitag zu beschwichtigen. Der Deal sei konsumentenfreundlich, innovationsfördernd und wachstumsorientiert. Man sei „sehr zuversichtlich“, alle notwendigen Genehmigungen zu erhalten.
Die Geschichte lehrt jedoch Vorsicht. Während Trumps erster Amtszeit verklagte das Justizministerium AT&T wegen der Time-Warner-Übernahme. Zwar verlor die Behörde letztlich den Fall. Doch der langwierige Rechtsstreit verzögerte die Integration erheblich.
Interessant ist der Kontrast zur jüngsten Paramount-Skydance-Fusion. Die Federal Communications Commission genehmigte den Deal zügig. Kritiker verweisen darauf, dass dies kurz nach einem Vergleich zwischen Paramount und Trump geschah. Paramount zahlte dem Präsidenten 16 Millionen Dollar zur Beilegung einer Klage.
Internationale Widerstände wachsen
Auch außerhalb der USA formiert sich Widerstand. Im britischen Oberhaus forderte ein Mitglied eine Prüfung der Auswirkungen auf Wettbewerb und Verbraucherpreise. Besonders der Kino-Sektor könnte unter der Transaktion leiden.
UNIC, der europäische Branchenverband der Kinobetreiber, lehnt die Übernahme entschieden ab. Die Organisation vertritt 39 Länder und fürchtet um die Zukunft des Kinoerlebnisses. Netflix ist bereits der weltgrößte Streaming-Anbieter. Mit Warner Bros. würde das Unternehmen auch ein mächtiges globales Studio kontrollieren.
Wirtschaftsprofessoren warnen vor den Konsequenzen. Die globale Marktmacht von Netflix würde sich durch die Akquisition erheblich verstärken. Die Auswirkungen reichten weit über die USA hinaus. Andere Experten sehen das gelassener. Netflix stehe in hartem Wettbewerb, nicht nur mit anderen Streamern. TikTok, X und Instagram konkurrierten ebenfalls um die Aufmerksamkeit der Zuschauer. Von einem Monopol könne keine Rede sein.
Was bedeutet der Deal für Konsumenten?
Falls die Transaktion genehmigt wird, stehen mehrere Optionen im Raum. Netflix könnte HBO Max als eigenständigen Dienst weiterführen. Oder beide Plattformen zusammenlegen. Disney bietet mit Disney+ und Hulu beide Varianten an: getrennte Apps oder ein kombiniertes Bundle.
Analysten erwarten Bündelangebote und neue Preismodelle. Die durchschnittlichen Einnahmen pro Nutzer dürften steigen. Verbraucher könnten dies als fairen Preis für Vereinfachung und besseres Abo-Management akzeptieren.
Content-Migration zwischen den Plattformen ist wahrscheinlich. Beliebte HBO-Serien könnten direkt in der Netflix-App landen. Umgekehrt könnten Warner-Produktionen exklusiv für Netflix entstehen. Die Integration böte Chancen für innovative Formate und Crossover-Projekte.
Die Verantwortlichen der DC Studios betonten die Wichtigkeit des Kinoerlebnisses für große Spektakel-Filme. Der neue Superman-Film startet im April. Die Dreharbeiten zum neuen Batman beginnen im Mai. Diese Blockbuster sind für die große Leinwand konzipiert. Ob Netflix diese Tradition fortsetzt, bleibt offen.
Die Risiken der Megafusion
Netflix muss 50 Milliarden Dollar zusätzliche Schulden aufnehmen. Dazu kommen die übernommenen elf Milliarden von Warner Bros. Die Verschuldung steigt dramatisch. Allerdings generiert Netflix erhebliche Cashflows, die einen schnellen Schuldenabbau ermöglichen sollten.
Kritischer ist das Kulturrisiko. Netflix ist ein technologiegetriebenes Unternehmen aus dem Silicon Valley. Warner Bros. ist ein traditionsreiches Hollywood-Studio mit über hundert Jahren Geschichte. Diese Welten zusammenzubringen, stellt eine gewaltige Herausforderung dar.
Auch die Frage nach dem Mehrwert bleibt. Hätte Netflix das Geld nicht besser in eigene Produktionen oder Sportrechte investieren können? Das Unternehmen hat keine Erfahrung mit Akquisitionen dieser Größenordnung. Die Geschichte ist voll von gescheiterten Medien-Megafusionen.
Die neue Ära beginnt
Netflix-Aktien sind seit Mitte Oktober um über 15 Prozent gefallen. Die Märkte hatten ein solches Angebot bereits antizipiert. Die Unsicherheit über regulatorische Genehmigungen belastet den Kurs zusätzlich.
Manche Anleger dürften erleichtert sein, wenn der Deal scheitert und Netflix zu seiner ursprünglichen Strategie zurückkehrt: Aubauen statt Kaufen. Das Unternehmen hat keine Erfahrung mit Deals dieser Größenordnung. Die Risiken sind erheblich.
Die kommenden Monate werden entscheidend sein. Ob Regulierungsbehörden grünes Licht geben. Ob Paramount weitere rechtliche Schritte unternimmt. Und ob Netflix beweisen kann, dass es nicht nur ein erfolgreicher Streaming-Dienst ist, sondern auch ein Hollywood-Imperium führen kann. Ein Thanksgiving-Wochenende könnte die Medienindustrie für immer verändert haben – sofern der größte Deal der Branche alle Hürden nimmt.
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