Der Spezialist für lokale Datenbank- und Analytics-Lösungen steht mit den einschneidenden Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) vor zahlreichen Herausforderungen. Wie kann das Unternehmen diese zukunftsweisende Schlüsseltechnologie gewinnbringend integrieren? Neben diesem klassischen Zukunftsthema spielt im Interview auch das Thema Produkt- und Kundenmix eine wichtige Rolle. All diese Faktoren werden entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Aktie in den kommenden Jahren haben.
In unserem WhatsApp-Kanal erfahrt ihr am Montag auch, wie Henrich zur Entscheidung der Bundeswehr steht, für die kommenden Jahre die Google Cloud zu nutzen.
Bei der Ausrichtung eures Geschäftsmodell wird KI in der Zukunft natürlich auch eine entscheidende Rolle spielen. Ihr seid ja gerade was die Positionierung bezüglich Backend-Lösungen angeht für KI-Anwendungen schon jetzt gut aufgestellt. Was schätzt du, fünf Jahre nach vorne gedacht, wie wichtig wird KI für EXASOL in 2030 sein? Wie viel Upselling-Potenzial gibt es da möglicherweise auch?
Jan-Dirk Henrich: Das Thema KI in der Analytics-Welt sehen wir nicht als ein separates Feld an. Mittel- bis langfristig gehen wir davon aus, dass die „klassische“ Analytics-Welt und KI-Anwendungen sich vollständig verzahnen. KI ist für uns also eine natürliche Weiterentwicklung unserer existierenden Produkte und Features. Das heißt im Umkehrschluss aber auch: Wenn wir bei unseren Bestandskunden relevant bleiben wollen, müssen wir das Thema KI und die sich dadurch verändernden Datenstrukturen und Anforderungen zwangsläufig mit abdecken.
Das hat zum Beispiel zur Folge, dass unsere Software neben den klassischen CPU-basierten Servern auch für GPU-basierte Server einsetzbar sein muss. Denn viele KI-Anwendungen laufen auf genau diesen technischen Strukturen und entsprechend passen wir unsere Produkte an.
Einen entscheidenden Vorteil hat unser Produkt beim Thema KI schon heute: Machine Learning oder Data Science Modelle kannst du mit unseren Lösungen direkt in der Datenbank ausführen und musst nicht den Umweg über die Extrahierung von Datensätzen machen, um die Modelle ausführen zu können. Das spart gerade in der Entwicklungsphase neuer Modelle enorm wertvolle Entwicklungszeit und gibt Flexibilität. Das ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie sich unsere Produkte in dieser zukünftigen KI-getriebenen Analytics-Welt einfügen müssen und können.
Diese Entwicklung sorgt für weiteren Rückenwind
Durch KI wird die Menge an Daten, die für analytische Anwendungen eingesetzt werden, nochmals exponentiell wachsen – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Anforderung, große Datenmengen in möglichst kurzer Zeit zu verarbeiten, und die dafür benötigte Performanz. Diese Entwicklung spielt unseren Stärken in die Karten.
Der Trend, eine steigende Menge an Daten durch analytische Anwendungen zu verstehen und gewinnbringend einzusetzen, bekommt also durch das Thema KI sozusagen einen Turbo Charger. Daher ist es wichtig, dass wir bei unseren Datenbank-Produkten entsprechende Integratoren für KI-Ökosysteme bereitstellen und unsere Angebote um diese Features weiterentwickeln.
Primär vertreibt ihr ja On-Premise Lösungen, also lokale Systeme, die ihr an eure Kunden verkauft. Hybride Lösungen tauchen bei euch jedoch auch auf, wie relevant sind diese Produkte für euch? Erreicht ihr dadurch auch andere Zielgruppen?
An dieser Stelle möchte ich nochmals betonen, dass unsere Technologien auch cloud-fähig sind. Wir haben schon heute eine Vielzahl an Kunden, die unsere Produkte in ihren selbst gemanagten Cloud-Strukturen einsetzen, oder „as a Service“ nutzen. Diese hybriden Kunden sind für uns sehr wichtig und wir bieten ihnen gegenüber Cloud-only Anbietern wie Snowflake oder Databricks mit diesem Multi-Plattform-Angebot einen echten Mehrwert.
Wir ermöglichen damit die Nutzung einer gemischten Struktur. Was ja durchaus auch Vorteile hat, denn nicht jede Datenanwendung hat in der Cloud die beste Heimat – je nachdem, welches Nutzungsprofil dahintersteckt oder wie sicherheitsrelevant die verwendeten Daten sind. Natürlich haben wir eine starke On Prem fokussierte Technologieausrichtung, sind uns aber auch der Stärke unseres hybriden Produktangebotes bewusst.
Zum Jahresanfang habt ihr einen 10-Millionen schweren Vertragsabschluss mit einer deutschen Staatsbank verkündet und weitere institutionelle Vertreter aus der Finanzbranche für euch gewinnen können. Bei regulierten Unternehmen aus dem öffentlichen Sektor habt ihr ein offensichtliches Matching. Welchen Mix zwischen Kunden aus diesem Sektor und Privatkunden strebt ihr an?
Wir haben uns tatsächlich eine sehr gute Position erarbeitet mit einer Reihe von Finanzinstitutionen auf kommunaler und auf Landesebene. Aber von der Art, wie Projekte vergeben werden, wie Einkauf und Projektvergabe realisiert werden, funktionieren die kommunalen und föderalen Banken letztlich wie privatwirtschaftliche Unternehmen.
Die Herangehensweise im Bereich der öffentlichen Hand – das heißt auf behördlicher und ministerialer Ebene – ist hingegen eine ganz andere. Viele dieser Ausschreibungen, beispielsweise für eine analytische Datenbanklösung, werden dann EU-weit formell ausgeschrieben und folgen strengen Richtlinien. Auch die Vertragsgestaltung folgt anderen Standards und die Projektvolumina haben oft auch nochmal andere Größenordnungen.
Da wir noch ein relativ kleines Unternehmen sind, macht es für uns daher Sinn, bei solchen Projekten als Teil eines Konsortiums bzw. gemeinsam mit starken Partnern zu agieren. Um im Bereich der öffentlichen Hand zu wachsen, liegt unser Fokus daher auch darauf, uns erfahrene Partner an Bord zu holen, beispielsweise bei der Systemintegration oder bei der Bereitstellung der nötigen Infrastruktur in Form der notwendigen Hardware oder private Cloud-Kapazitäten. Dies betrifft Leistungen, die wir selbst nicht abdecken, mit dem Vorteil, gemeinschaftlich ein hochwertiges Gesamtpaket anbieten zu können. Entsprechend führen wir Gespräche mit möglichen Partnern und sind guter Dinge, in den kommenden Monaten einige Kooperationen bekanntgeben zu können.
Kurz- und mittelfristig wollen wir aber insbesondere weiter unser Momentum im Finanzsektor nutzen, und dieser funktioniert nach ganz normalen Vergabelogiken, wie sie in der Privatwirtschaft gängig sind.
Ihr habt im Geschäftsjahr 2024 einen deutlich positiven operativen Cashflow von 1,4 Millionen Euro erwirtschaftet. Inwiefern werdet ihr dieses Kapital in den kommenden Monaten und Jahren einsetzen?
Das Unternehmen ist schuldenfrei, wir haben kein langfristiges Fremdkapital und jetzt auch wieder ein positives Nettoergebnis. Daher stellt sich uns die Frage, was den Unternehmenswert langfristig am meisten steigert. Für uns ist das ganz klar, das Wachstum wieder anzukurbeln. In einem sich so schnell entwickelnden Umfeld wie unserer Branche hat die Vergangenheit immer wieder gezeigt: Entweder du gehst mit der Zeit, oder du vergehst. Daher ist es unser Ziel, mittelfristig wieder zum zweistelligen Wachstum zurückzukehren, bei konstanter oder leicht steigender Profitabilität. Fortgesetzte Investition in unser Produkt ist aus unserer Sicht alternativlos. Wir müssen uns daher fragen, welche Investitionsfelder uns bei unseren Zielen zum Erfolg führen können.
Und da konnten wir, wie bereits besprochen, einerseits diese „offenen Lakehouse Strukturen“ identifizieren, wir sprechen hier vom Projekt „Lakehouse Turbo“. Hiermit helfen wir Kunden in Ökosystemen wie Databricks und Snowflake, durch einen performanteren Plug-In-„Motor“ ihre Anwendungen zu beschleunigen und damit Compute-Kosten für gegebene Anwendungen massiv zu senken.
Und andererseits natürlich, dass wir unsere Produkte in Richtung KI weiterentwickeln und eine effektive Verzahnung zwischen den Technologien und sich entwickelnden KI-Anwendungen realisieren können.
Das sind also die zentralen Themen und Zukunftstreiber, auf die ihr mittelfristig setzt?
Genau. Neben diesen beiden Entwicklungen spielt natürlich auch eine entscheidende Rolle, die Konzentration auf die Fokus-Branchen konsequent umzusetzen und den damit einhergehenden Shift in der Kundenstruktur erfolgreich zu managen. Mit diesem Dreiklang wollen wir in den kommenden Jahren ein Wachstumscomeback hinlegen.