Liebe Leserinnen und Leser,
so viel Wertzuwachs an nur einem Tag sieht man an der Börse selten: Die Aktie des Software-Riesen Oracle zog nach Zahlen um über 30% an und verteuerte das Unternehmen damit über Nacht um 230 Mrd. US-Dollar.
Zur Einordnung: Der Walldorfer Software-Konzern SAP ist mit aktuell rund 300 Mrd. USD Deutschlands wertvollstes Unternehmen. Die Oracle-Geschäftszahlen müssen also atemberaubend gewesen sein – und das waren Sie auch. Denn sie zeigten, dass der US-Konzern derzeit das größte Tempo im Cloud- und KI-Geschäft vorlegt.
Es war weniger der Umsatz, der für Furore sorgte. Der kletterte zwar auch prozentual zweistellig und erreichte knapp 14,9 Milliarden US-Dollar, das schaffen andere Technologie-Konzerne in der Liga der Großen jedoch ebenfalls. Das Augenmerk der Investoren lag auf das Infrastrukturgeschäft OCI, das um 55% zulegte. Im weiteren Jahresverlauf will Oracle in dem Bereich weiter zulegen, sodass das Wachstum im Vergleich zum Vorjahr letztendlich mehr als 70% erreicht.
Damit nicht genug. In den kommenden Jahren wird das Wachstum voraussichtlich weiter hoch bleiben, denn der vertraglich gesicherte Auftragsbestand ist binnen Jahresfrist auf über 450 Milliarden Dollar explodiert. Das ist nicht nur absolut betrachtet sehr viel und gibt den Analysten eine gesunde Planbarkeit, sondern ist auch deswegen hoch interessant, weil es der Beweis für eine hohe KI-Nachfrage ist. Kunden fragen massiv Rechenleistung für ihre KI-Entwicklungen nach, immer wieder aufkommende Ängste einer KI-Abkühlung sind zumindest anhand der Oracle-Zahlen nicht abzulesen.
Auch SAP mit operativ starken Ergebnissen
Während die Oracle-Aktie auf Wochensicht um etwa ein Drittel zulegte, ging die Aktie von SAP auf Talfahrt und verlor 7%. Seit Juni vergünstigte sich das Papier und ist von Preisen um 270 Euro inzwischen über 20% entfernt. Dabei meldete auch SAP starkes Cloudwachstum. Im zweiten Quartal 2025 stieg der Umsatz in dem Bereich um gut ein Viertel, die ERP-Kernlösung S/4HANA Cloud zog sogar um rund 30 Prozent an.
Und auch im Bereich KI macht SAP Fortschritte. Unter dem Label „Business AI“ entwickelt der Konzern Assistenten wie „Joule“ und spezialisierte AI-Agents, die Finanzwesen, Service und Planung automatisieren. Die Business Data Cloud soll Daten aus unterschiedlichsten Quellen zusammenführen und so die Grundlage für praxistaugliche Analysen und Prognosen schaffen.
Für Bestandskunden, die ihre komplexen ERP-Landschaften nicht einfach wechseln können, ist dieser Ansatz hochattraktiv: Jeder neue Cloud-Vertrag erhöht die Datenbasis und beschleunigt den Roll-out der KI-Funktionen.
Frühere Rivalen – heute unterschiedliche Rollen
Über Jahrzehnte standen Oracle und SAP in direkter Konkurrenz. Beide lebten von On-Premise-Lizenzen, hohen Wartungsgebühren und Beratungsprojekten. Oracle startete mit Datenbanken, SAP dominierte den Markt für integrierte ERP-Systeme, doch die Zielgruppe war identisch: internationale Großunternehmen, die komplette Back-Office-Prozesse abbilden wollten. In den 2000er-Jahren verschärfte sich der Wettbewerb, als Oracle mit Übernahmen wie PeopleSoft und Siebel gezielt in SAPs Kernmarkt drängte.
Heute hat sich das Bild geändert. Oracle ist zum globalen Cloud- und Infrastrukturanbieter gereift, während SAP sich als Prozess- und Branchenplattform positioniert hat. Die einstige Vorstellung, SAP sei eine „deutsche Oracle“, trifft nicht mehr zu.
Beide bedienen unterschiedliche Kernkompetenzen – Oracle liefert Rechenleistung und Datenbanktechnologie, SAP konzentriert sich auf Geschäftsprozesse und branchenspezifische Anwendungen.
Börse vergleicht, was nicht wirklich vergleichbar ist
An der Börse wird der große Unterschied in den Geschäftsmodellen offenbar aktuell nicht gesehen. Nur weil Oracle bei den Zahlen überzeugte, bedeutet das nicht, dass SAP Chancen liegen lassen hat und vergleichsweise wenig vom KI-Boom profitiere. Sogar von Marktanteilsverlusten war zu lesen.
Der Eindruck eines klaren Siegers und eines Nachzüglers ist mit Blick auf die Historie zwar verführerisch, spiegelt aber nicht korrekt das Jetzt und die Aussichten in den jeweiligen Geschäftsfeldern wider. SAP wächst im Cloud-Segment weiterhin zweistellig, steigert wiederkehrende Erlöse und verfügt über eine extrem loyale Kundenbasis.
Diese Kundentreue ist ein strategischer Trumpf, denn viele Konzerne haben ihre kompletten Abläufe über Jahrzehnte auf SAP aufgebaut und können gar nicht kurzfristig den Anbieter wechseln, so wie es jetzt teilweise unterstellt wird. Und jeder neue Cloud-Vertrag, jede S/4HANA-Migration erweitert die Datenbasis und erhöht den Nutzen der hauseigenen KI-Funktionen, ohne dass spektakuläre Schlagzeilen nötig sind.
Anders Oracle: Die Amerikaner punkten mit aggressiven Infrastrukturinvestitionen und rasant wachsenden KI-Workloads. Beide Unternehmen sind damit in unterschiedlichen, aber zukunftsträchtigen Märkten unterwegs. Wer nur auf kurzfristige Kursbewegungen schaut, unterschätzt die langfristige Ertragskraft von SAP. Die Walldorfer bleiben auch ohne großes Aufsehen struktureller Gewinner des weltweiten Cloud- und KI-Trends.
SAP-Aktie mit Nachholpotenzial
Aus meiner Sicht unterschätzt der Markt, wie schnell SAP im KI-Bereich zulegen wird. Die Firma baut KI direkt in die Programme ein, die ihre Kunden ohnehin jeden Tag nutzen – da braucht es keinen neuen Mode-Roboter oder ein einzelnes Wundermodell. Jedes Mal, wenn ein Kunde auf das neue Hauptprogramm S/4HANA umsteigt oder einen zusätzlichen Cloud-Vertrag abschließt, sammelt SAP neue Kunden-Daten und kann die KI-Funktionen daher noch zugeschnittener anbieten.
Während Oracle also aktuell die mediale Aufmerksamkeit auf sich zieht, gießt SAP medial fast schon unbemerkt das Fundament für künftiges Wachstum. Wenn sich diese Effekte in den kommenden Quartalen klarer in den Zahlen niederschlagen, dürfte die Aufmerksamkeit steigen und der Markt reagieren. Dann sieht auch das Chartbild wieder besser aus.
SAP ist auf jeden Fall eine Bereicherung für jede Beobachtungsliste. Aufgrund der jüngsten Kursschwäche beträgt das Kurspotenzial allein bis zum durchschnittlichen Analystenziel aktuell 37%. Bis die Aktie das erreicht hat, liegen vermutlich wieder neue Ziele vor, denn SAP ist sicherlich auch als langfristige Depotbeimischung interessant.
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