Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
es ist eine bemerkenswerte Verschiebung in der Eurozone, die sich in den letzten Tagen vollzogen hat: Während Italien für seine fiskalpolitische Disziplin von Fitch auf BBB+ hochgestuft wurde, hat Frankreich gleich zwei Bonitätsherabstufungen kassiert – zuletzt von Morningstar DBRS. Damit verliert Paris nicht nur symbolisch an Vertrauen, sondern auch real an Kreditwürdigkeit. Und das in einer Zeit, in der sich die Europäische Zentralbank (EZB) eigentlich zur geldpolitischen Ruhe setzen wollte.
Was zunächst wie eine Randnotiz für Rating-Fetischisten klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als potenzieller Stressfaktor für die Eurozone und ihre Investoren. Denn mit Frankreich und Italien sind hier zwei der drei größten Volkswirtschaften der Eurozone im Spiel. Und wenn deren Risikoprofile auseinanderdriften, steht auch die einheitliche Wirkung der Geldpolitik infrage.
Ein Rollentausch mit Signalwirkung
Dass Italien derzeit als Stabilitätsanker wahrgenommen wird, wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen. Doch Premierministerin Giorgia Meloni und Finanzminister Giancarlo Giorgetti haben tatsächlich geliefert: Das Haushaltsdefizit soll schon 2025 unter die EU-Marke von 3 Prozent sinken. Der Spread italienischer Zehnjahresanleihen gegenüber Deutschland liegt bei nur noch rund 80 Basispunkten – ein Drittel des Niveaus bei Amtsantritt der Regierung 2022.
Frankreich hingegen rutscht immer tiefer in die politische und fiskalische Krise. Das Haushaltsdefizit liegt bei 5,4 Prozent, die Regierung Macron ist nach mehreren Kabinettsumbildungen geschwächt, und ein handlungsfähiges Parlament existiert de facto nicht. Straßen-Protests gegen Sparpläne, politische Fragmentierung und fehlende Konsensfähigkeit sorgen für eine explosive Mischung. DBRS sieht „hohe Ausführungsrisiken“ bei der Einhaltung der Fiskalziele – ein düsteres Urteil als so mancher Marktteilnehmer erwartet hatte.
Der symbolische Charakter dieser Rollenumkehr ist nicht zu unterschätzen. Jahrzehntelang galt Frankreich als mäßigender, wenn auch leicht schuldenfreundlicher Gegenpol zu Deutschlands Stabilitätskultur. Nun droht Paris selbst zum Problemfall zu werden. Das könnte langfristige Auswirkungen auf die Architektur der Eurozone haben, etwa bei der Weiterentwicklung des Stabilitätspakts oder künftigen Fiskalregeln.
EZB im Zielkonflikt: Preisstabilität versus Fragmentierung
Offiziell sieht sich die EZB weiterhin am Ziel eines „soft landing“: Die Inflation ist unter Kontrolle, die Arbeitslosigkeit niedrig, der Leitzins wurde zuletzt bei 2 Prozent belassen. Doch unter der Oberfläche brodelt es.
Denn die Spreadausweitung zwischen deutschen und französischen Anleihen hat sich fast verdoppelt. Noch signifikanter: Frankreichs Refinanzierungskosten liegen inzwischen stellenweise über denen Italiens. Eine historische Zäsur, die zeigt, wie schnell sich das Marktvertrauen verschieben kann.
Die EZB hat mit dem Transmission Protection Instrument (TPI) seit 2022 ein Werkzeug, um solche Marktverwerfungen zu bekämpfen. Es erlaubt selektive Anleihekäufe einzelner Länder, um die geldpolitische Transmission sicherzustellen. Doch Frankreich als Ziel solcher Maßnahmen? Das wäre politisch heikel. Die Frage wäre nicht nur, ob Frankreich Hilfe braucht, sondern ob die EZB dies ohne politische Schieflage leisten kann.
Hinzu kommt: Die TPI-Kriterien beinhalten u.a. fiskalische Solidität, Schuldenstand und Reformbereitschaft. Frankreich wäre derzeit kaum ein Kandidat, der diese Prüfkriterien souverän erfüllt. Damit wird das Instrument zur Fessel statt zum Schutzschild.
Das Griechenland-Gespenst in neuer Gestalt?
Zwar ist Frankreich wirtschaftlich größer, institutionell gefestigter und international besser vernetzt als Griechenland damals. Doch das Misstrauen der Märkte folgt eigenen Regeln. Die jüngsten Ratingverschlechterungen könnten eine Spirale aus steigenden Zinsen, Kapitalabzug und wachsendem Reformdruck auslösen.
Der CDS-Preis für französische Staatsanleihen ist bereits spürbar gestiegen. Und Investoren beginnen, Frankreich anders zu bewerten: als politisch instabilen Schuldner mit strukturellen Haushaltsproblemen. Wenn sich dieser Eindruck verfestigt, könnte das Vertrauen in die Eurozone insgesamt Schaden nehmen.
Ein weiteres Risiko ist psychologischer Natur: Frankreich war immer Teil des „Kerns“ der Eurozone, Gründungsmitglied und politischer Motor. Wenn ein solcher Akteur als finanzpolitisch unsicher gilt, verliert das gesamte Projekt Euro an Glaubwürdigkeit – gerade in den Augen außerhalb Europas.
Was Anleger jetzt beachten sollten
Diese Entwicklung bringt für Investoren mehrere wichtige Aspekte mit sich:
Beobachtung der Spread-Entwicklung:
Ein unmittelbarer Risikoindikator ist die Entwicklung der Zinsaufschläge französischer Staatsanleihen im Vergleich zu deutschen und italienischen Staatsanleihen. Investoren in Euro-Anleihen sollten diese Kennzahl regelmäßig im Auge behalten.
Überprüfen Sie die ETF-Allokationen:
Französische Papiere machen aufgrund der Tatsache, dass Frankreich als zweitgrößter Emittent gilt, einen großen Teil der Anleihe-ETFs aus. Durch eine sorgfältige Analyse der Ländergewichtung lassen sich ungewollte Konzentrationsrisiken identifizieren.
Beachten Sie die Banken-Exposure:
Sollte das Vertrauen in die Staatsfinanzen schwinden, könnten französische Banken unter Druck geraten. Ein Blick in Finanzwerte-ETFs oder Fonds, die hohe Anteile an BNP Paribas, Crédit Agricole & Co. haben, ist ebenfalls empfehlenswert.
Beobachten Sie TPI-Signale:
Wenn die EZB Anleihekäufe zur Stabilisierung Frankreichs in Betracht zieht, wäre das ein deutliches Zeichen für ein ernstes Problem. Obwohl solche Maßnahmen eine Stabilisierung bewirken, könnten sie dennoch andere Marktteilnehmer verunsichern.
Die relative Aktienperformance im Auge behalten:
Der Aktienmarkt Frankreichs hinkt bereits hinterher – laut Bloomberg um 12 Prozent seit 2024 im Vergleich zum Europäischen Durchschnitt. Einige Fachleute betrachten es jedoch als eine „Bloquons-Tout-Rabatt“-Chancenstory: Zahlreiche Unternehmen im CAC 40 erwirtschaften weniger als 10 % ihres Umsatzes in Frankreich und könnten daher fundamental attraktiv bewertet sein.
Fundamentaldaten-basierte Diversifikation anstelle von nur geografischer Diversifikation:
In Zeiten, in denen geopolitische und fiskalische Risiken steigen, ist ein Portfolioansatz, der weniger auf reine Regionenallokation und mehr auf Unternehmenskennzahlen, Cashflows und externe Umsatzanteile setzt, von größerem Wert.
Fazit: Kein Alarm, aber ein Weckruf
Die EZB muss sich einer neuen Belastungsprobe stellen. Die fiskalische Politik Frankreichs könnte die Einheit der Eurozone gefährden – nicht als akuter Krisenherd wie einst Griechenland, sondern als schleichendes Risiko in der Mitte Europas.
Für Anleger ist das kein Grund zur Panik, aber ein Anlass zur Wachsamkeit. Wer Euro-Anleihen oder Aktien mit Frankreich-Exposure im Portfolio hält, sollte diese Entwicklungen aktiv verfolgen. Die Geldpolitik mag am Ziel sein – aber die politische Stabilität ihrer Mitglieder ist es noch lange nicht.
Der Fall Frankreich zeigt: Die Eurozone ist stabiler geworden – aber auch anfälliger für politische Risse. Und diese können, wie so oft in Europa, plötzlich und tief verlaufen. Wer als Anleger vorbereitet ist, wird nicht überrascht. Und wer den Wandel erkennt, bevor er in den Kursen voll eingepreist ist, verschafft sich einen Informationsvorsprung.
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