Liebe Leserin, lieber Leser,
die Aktie von ITM Power ist – wie im Prinzip alle Wasserstofftitel, von Nel ASA bis Plug Power – zuletzt mächtig unter die Räder gekommen. Die Papiere des kleinen, britischen Brennstoffzellen-Produzenten waren vor dem Wochenende erstmals seit langem wieder sogar unter die 1-Euro-Marke gerutscht, fanden am Montag erst bei einem Kurs von 0,90 Euro einen Boden. Mittlerweile hat sich die ITM-Aktie wieder auf 0,99 Euro vorgebearbeitet, allein am Dienstag ging es um mehr als fünf Prozent nach oben. Das könnte mit einer aktuellen Nachricht aus Sheffield zusammenhängen.
ITM Power erweitert Testkapazitäten
Denn wie ITM Power meldete, hat das Unternehmen eine Vereinbarung mit Power On Connections Ltd, einem laut Mitteilung führenden Experten für Versorgungsanschlüsse, unterzeichnet, um die Stromversorgung von ITM im Bessemer Park bis Ende 2024 um 300 Prozent auf 30 Megavoltampere (MVA) zu erhöhen. Diese zusätzliche Stromversorgung werde es ITM Power ermöglichen, die Produkttests im Einklang mit den Wachstumsambitionen erheblich zu steigern, heißt es.
Als ersten Schritt in Richtung einer größeren Testkapazität hat ITM die Stromversorgung des Unternehmens demnach um 50 Prozent von zuvor 5 auf 7,5 MVA erhöht. Dieses Leistungsupgrade sei ab sofort verfügbar und ermögliche das gleichzeitige Testen von zwei 2-MW-Modulen. „Als Teil unseres 12-Monats-Plans habe ich im Januar unsere Absicht bekundet, die Testkapazität zu erhöhen, um unsere Anforderungen an die Projektabwicklung zu erfüllen“, kommentiert Dennis Schulz, seit Dezember CEO bei ITM, die Vereinbarung. Die Ankündigung sei „ein wichtiger Schritt zur Beseitigung von Engpässen in unserer Produktionsleistung und ein wichtiger Wegbereiter zur Skalierung der Produktion“.
ITM hatte 2022 massive Probleme
Dass ITM genau in diesem Bereich nachschärft, kommt nicht von ungefähr: Es war am 27. Oktober des vergangenen Jahres, als die Aktie von ITM Power einen massiven Einbruch erlebt hatte. Die Briten hatten nach eigenem Bekunden Probleme in der Produktion – und zugleich die Prognose fürs Gesamtjahr nach unten korrigiert. Zwar mache man mit der Entwicklung eines 2-MW-MEP-2.0-Stacks weiterhin „ermutigende technologische Fortschritte“, wie es damals hieß. Aufgrund von Produktionsproblemen, einschließlich Verzögerungen bei der Fertigstellung der Werkzeuge und Tests, erwarte ITM, „dass die Produktion und der Umsatz für das Gesamtjahr wahrscheinlich am unteren Rand der aktuellen Prognosespanne liegen werden“.
- In der Folge verlor die ITM-Aktie binnen eines Tages gut ein Drittel ihres Werts
- Von zuvor 1,16 Euro ging es mit den Papieren bis auf 0,78 Euro zurück
Es war zugleich ein Mehrjahrestief, aus dem sich die Aktie nur mühsam befreite. Zumindest bis Anfang Februar: Dann ging es mit dem Kurs plötzlich steil bergauf bis auf 1,37 Euro. Und auch das hatte seinen Grund.
Lieferauftrag über zwei Elektrolyseure für Linde
ITM Power habe zwei Verträge zur Lieferung von jeweils 100 MW PEM-Elektrolyseuren an Linde Engineering unterzeichnet, meldete das Unternehmen Ende Januar. Beide Anlagen werden an einem von RWE betriebenen Standort im niedersächsischen Lingen errichtet und mit Offshore-Wind aus der Nordsee betrieben. Die Anlagen sind laut ITM „die größten PEM-Elektrolyseure, die weltweit gebaut werden“ Es werde zudem der erste Einsatz der neuen Linde Engineering / ITM Power 10-MW-Standardmodul-Skids für Großanlagen sein, die hochmoderne MEP-Elektrolyseur-Stacks mit 30 bar verwenden.
Die Lieferung für diese beiden Projekte soll ein „wichtiger Meilenstein auf dem Weg von ITM Power zur Massenfertigung eines industrialisierten Produkts darstellen“, wie es hieß. Im Rahmen seiner „Growing Green“-Strategie habe RWE im November 2021 angekündigt, bis 2030 eine Elektrolyseurkapazität von mindestens 2 GW zur Erzeugung von grünem Wasserstoff aufzubauen. Die beiden 100-MW-Elektrolyseuranlagen in Lingen seien Teil dieser Ambition, hieß es.
ITM-CEO: Schritt „in Richtung Volumenfertigung“
Bereits im Dezember 2021 waren Linde Engineering und ITM Power von RWE als technischer Ausrüster für die ersten beiden 100-MW-Anlagen des sogenannten GET H2 Nukleus-Projekts in Lingen vorausgewählt worden.
CEO Schulz versicherte: „Wir sind stolz und fühlen uns geehrt, als Elektrolyseur-Lieferant für dieses wichtige Meilensteinprojekt ausgewählt worden zu sein. Strategisch ermöglicht es uns, mit Sicherheit und Entschlossenheit in Richtung Volumenfertigung zu skalieren.“
Höhere Kursziele als für Nel und Plug Power
Die im Schnitt ohnehin recht optimistischen Analysten wurden durch die Nachricht zumindest vorläufig bestätig. Von 21 Experten, die laut marketscreener.com ITM derzeit beobachten, raten
- zehn die ITM-Aktie zu kaufen
- sieben plädieren auf Halten der Papiere
- vier Experten empfehlen den Verkauf
Und so ist die durchschnittliche Erwartung an das britische Unternehmen im Branchenvergleich durchaus ambitioniert. Während die Analysten beim norwegischen Wettbewerber in ihrem Kurszielen relativ vorsichtig sind, bewegt sich ITM tatsächlich auf dem Niveau des US-Schwergewichtes Plug Power, übertrifft dieses sogar leicht:
mittleres Kursziel | Kurspotenzial | |
ITM-Aktie | 1,79 Pfund | +110,0% |
Nel-Aktie | 1,46 Euro | +10,6% |
Plug-Aktie | 25,22 $ | 107,0% |
Nur die Aktie von ITM Power will dem so recht nicht folgen. Im vergangenen Halbjahr verlor die Aktie, trotz aktueller Erholung, rund 25 Prozent an Wert. Aufs Jahr gesehen hat das Unternehmen sogar rund drei Viertel seines Börsenwerts eingebüßt.