Über Jahre war die Gazprom-Aktie einer der Lieblinge von Anlegern und Analysten, sorgte sie doch selbst in Krisenzeiten zumeist für ansehnliche Kursentwicklungen und vor allem eine stattliche Dividende. Damit hat es sich jetzt aber wohl endgültig erledigt. In Folge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine ist das Papier an westlichen Märkten schon seit März nicht mehr handelbar. Zudem hat der Konzern jüngst die Dividendenzahlungen kurzerhand ersatzlos gestrichen.
Offiziell begründet wurde das damit, dass Mittel für den Anschluss entlegener Regionen Russlands an das Gasnetz einbehalten werden sollen. Das klingt jedoch wenig glaubwürdig. Denn hätte Gazprom derartige Pläne gehabt, hätte es auch in den vergangenen Jahren mit Dividendenzahlungen an den notwendigen Mitteln nicht gemangelt.
Jahr | Nettogewinn (Mrd. USD) |
2010 | 25,25 |
2011 | 31,37 |
2012 | 30,61 |
2013 | 25,1 |
2014 | 2,23 |
2015 | 10,23 |
2016 | 15,53 |
2017 | 12,37 |
2018 | 20,96 |
2019 | 19,38 |
2020 | 1,82 |
2021 | 29,00 |
Auch wenn ich mich ins Reich der Spekulation begebe: Wahrscheinlicher ist es wohl, dass der größte Aktionär in Form der russischen Regierung sich Mittel für den Krieg in der Ukraine sichern will, welcher dem eigenen Volk noch immer als „militärische Spezialoperation“ mit minimalem Einsatz und Verlusten verkauft wird.
Gazprom auf dem Weg in die Vergangenheit?
Stellt sich die Frage, welche langfristigen Implikationen sich durch die jüngsten Entwicklungen bei Gazprom ergeben. Der Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer widmete sich dieser Frage jüngst und zeichnet ein düsteres Bild für alle (privaten) Anleger. Seiner Ansicht nach soll Gazprom mittelfristig wieder vollständig unter die Fittiche der russischen Regierung kommen, während andere Anteilseigner möglichst auf die Plätze verwiesen werden sollen. Es könnte mehr oder weniger dazu kommen, dass aus Gazprom ein Konzern wird, der ähnlich wie in der Sowjetzeit vollständig von der russischen Regierung aus gelenkt wird. Das würde auch zu Wladimir Putins Sehnsucht nach eben dieser Zeit passen.
Hiesige Anleger müssten wohl damit rechnen, auf ihren derzeit nicht handelbaren Anteilen sitzenzubleiben. Dass der Handel der ADRs in Europa oder den USA in absehbarer Zeit wieder aufgenommen wird, zeichnet sich aktuell nicht ab. Geschäftlich ergibt sich bei Gazprom derweil ein zwielichtiges Bild, wobei der Konzern um Transparenz nicht mehr sonderlich bemüht ist.
Kann Gazprom noch Geld verdienen?
Grundsätzlich profitiert Gazprom weiterhin von enorm hohen Gaspreisen, welche die Einnahmen des Konzerns vor gar nicht langer Zeit in völlig neue Höhen katapultierten. Damit dürfte es aber erst einmal vorbei sein, denn bekanntlich hat der Konzern die Lieferung in einigen europäischen Ländern vollständig eingestellt und anderswo stark gedrosselt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dies aus politischen Motiven heraus geschehen ist. Während Russland dem Westen damit tatsächlich einiges an Kopfzerbrechen bereitet, schmälern sich auch die Einnahmen von Gazprom deutlich.
Gleichwohl präsentierte der Konzern bereits eine Lösung für die verringerten Gaslieferungen, welche laut Gazprom aufgrund von Defekten bei Nord Stream 1 entstanden sind. Nord Stream 2 könne die Lage wieder entspannen, die hiesige Politik müsse deren Betrieb lediglich beschließen. Zumindest die Linkspartei im Bundestag kann sich dafür auch tatsächlich erwärmen. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass die Ampel-Regierung sich auf derartige Erpressungsversuche einlassen wird.
Unter dem Strich verdient Gazprom dieser Tage weiterhin Milliarden. Sollten die Exporte aber weiter zurückgefahren werden, kann sich das schnell ändern. China wird den Ausfall von Exporten nach Deutschland und anderen EU-Ländern nie und nimmer vollständig ausgleichen können. Weder beim reinen Volumen noch bei den Preisen, die gezahlt werden. Gazprom könnte sich also auf direktem Weg befinden, zu einem Sanierungsfall zu werden, auch wenn die russische Regierung den Versorger letztlich nicht untergehen lassen wird.
Die Politik bestimmt das Geschehen
Zudem hat der Gaspreis in den letzten Tagen etwas geschwächelt. Verantwortlich dafür war unter anderem eine Ankündigung Kasachstans, Öl und Gas an den Westen zu liefern, um die aktuell mehr als schwierige Lage etwas abzumildern. Russland scheint aber bereits Gegenmaßnahmen einzuleiten. Ein wichtiges Terminal für den Ölexport im Schwarzen Meer wurde durch Russland kurzerhand geschlossen, offiziell aufgrund von Umweltbedenken. Durch das Terminal fließen etwa 80 Prozent der Ölexporte von Kasachstan.
Einfach ausgedrückt gibt die Politik bei all diesen Themen und damit auch bei der Gazprom-Aktie weiterhin den Ton an, woran sich so schnell auch kaum etwas ändern wird. Das macht die Gazprom-Aktie noch unberechenbarer und damit selbst für Investoren in Russland weitgehend uninteressant.
Die Gazprom-Aktie auf dem absteigenden Ast
Wenig erfreulich sieht es derzeit auch für die Gazprom-Aktie aus, welche auf das Streichen der Dividende mit einem Kurssturz von über 35 Prozent reagierte. Die kurze Rallye im Mai und Juni wurde damit vollständig egalisiert und der Kurs fiel wieder unter die Marke von 200 Rubel. Eine dezente Erholung am Dienstag mit Zugewinnen von knapp sechs Prozent ändert wenig daran, dass sich bei dem Papier ein immer klarerer Abwärtstrend zeigt.
Der eine oder andere Glücksritter mag derzeit die vermeintlich niedrigen Kurse für einen Einstieg nutzen und auf eine langfristige Erholung bei der Gazprom-Aktie hoffen. Dabei handelt es sich aber eher um die Ausnahme denn um die Regel. Schon allein aufgrund des Wegfalls ausländischer Investoren ist eine Abwärtsspirale bei dem russischen Staatskonzern programmiert. Die wird nicht von heute auf morgen die Kurse in die Untiefen des Kurskellers befördern. Es ergibt sich derzeit aber kaum ein Szenario, in welchem Gazprom auch nur annähernd an Höchststände aus der Vergangenheit anknüpfen können wird.
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