Über Jahre galt die Gazprom-Aktie als mehr oder weniger sicheres Investment, welches Anlegern nicht nur ansehnliche Kursgewinne, sondern auch stattliche Dividenden einbrachte. Die ersten Risse bekam dieses Image mit dem Beginn des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Doch nach einem ersten Schock konnte Gazprom sich zumindest an der Moskauer Börse wieder sichtlich erholen, während der Handel anderswo schlicht ausgesetzt wurde.
Letzteres geschah nicht ohne Grund. Westliche Anleger flüchteten Ende Februar panikartig aus der Gazprom-Aktie und ließen die Kurse an der Börse in London zeitweise auf einstellige Centbereiche abstürzen, bevor der Handel schließlich ausgesetzt wurde. Ob und wann eine Rückkehr an hiesige Marktplätze geschehen wird, steht derzeit in den Sternen. Weder der Konzern selbst noch die Regierung in Moskau scheint daran aber momentan ein ernsthaftes Interesse zu haben.
Die Gazprom-Aktie im freien Fall
Stattdessen nehmen die Probleme dieser Tage auch an den russischen Marktplätzen zu. Erst in der gerade ausgelaufenen Woche erlebten die Aktionäre von Gazprom einen regelrechten Schock. Das Unternehmen strich kurzerhand die Dividende komplett, nachdem im Mai noch 52,53 Rubel je Anteilsschein versprochen wurden. Wenig überraschend wertete die Gazprom-Aktie schnell um eben diesen Betrag ab, was ihr zunächst Kursverluste von rund 25 Prozent bescherte.
Der Abwärtstrend setzte sich am Freitag mit Abschlägen in Höhe von 7 Prozent fort, womit Gazprom zum Wochenende sie Linie bei 200 Rubel verpasste. Bei Handelsschluss standen noch 192,50 Rubel auf dem Ticker, was es seit dem Kurssturz im Februar an der Moskauer Börse nicht mehr zu sehen gab. Die Aussichten für den Staatskonzern sind mehr als düster und von einstigen Milliardengewinnen könnte in Zukunft nicht mehr viel übrigbleiben.
Das tut weh
Viele Experten sind von all dem wenig überrascht. Schließlich hat Russland sich, sehr wahrscheinlich aus politischen Gründen, zu einer starken Drosselung der Gaslieferungen nach Europa entschieden. Einige Länder erhalten überhaupt kein Erdgas aus Russland mehr, in anderen wurde der Gasfluss schwer gedrosselt. Während Moskau damit zumindest zum Teil den gewünschten Effekt erzielt und westliche Volkswirtschaften in arge Probleme zieht, macht das Ganze auch Gazprom schwer zu schaffen.
Denn Europa war bis zuletzt noch immer der größte und vor allem zahlungskräftigste Kunde des russischen Staatskonzerns. Die wegfallenden Einnahmen aus dem Gasverkauf könnten Gazprom zu einem Sanierungsfall machen. Das gilt speziell dann, wenn die Gaslieferungen nach Europa nahezu komplett eingestellt werden sollten und einige Beobachter sehen die Streichung der Dividende bereits als klares Zeichen dafür, dass ein solcher Schritt kurz bevorstehen könnte.
Da bleibt für Gazprom nicht mehr viel über
Wie wichtig das Geschäft mit der EU für Gazprom ist, zeigen Informationen der Bundeszentrale für politische Bildung. Die sind zwar nicht mehr ganz taufrisch und stammen noch aus dem Jahr 2012. Allzu viel dürfte sich am Verhältnis des Gas-Exports bis zum Kriegsausbruch in der Ukraine aber nicht verändert haben.
Region | Anteil Gasexport Gazprom 2012 |
EU | 58 % |
Ex-UDSSR | 28 % |
Türkei | 13 % |
Sonstige | 1 % |
Dem Konzern drohen mit den jüngsten Entwicklungen empfindliche Teile seiner Einnahmen einfach wegzubrechen, was sich kaum bis gar nicht an anderer Stelle wieder auffangen lässt. Bei den Ölgeschäften finden sich noch Abnehmer, welche zu starken Rabatten in Indien oder China zugreifen. Gas lässt sich dort aber nicht im gleichen Rahmen wie in der EU absetzen. Dazu fehlen schlicht die nötigen Pipelines und andere Abnehmer als die EU würden mit Sicherheit auch nicht ansatzweise vergleichbare Preise zahlen.
Ist die Gazprom-Aktie noch zu retten?
Aktuell ist kein Szenario denkbar, in welchem Gazprom sich von den derzeitigen Verwerfungen erholen können wird. Im Gegenteil, es dürfte in Zukunft nur noch schlimmer kommen, da die westlichen Industrienationen den Abschied von russischem Gas längst beschlossen haben. Spätestens in ein paar Jahren wird der Export in die EU nur noch in einem minimalen Ausmaß stattfinden. Das wird letztlich auch die Förderung beeinflussen, welche deutlich zurückgefahren werden dürfte und sich später nicht ohne Weiteres wieder hochfahren lässt.
Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren darf die Gazprom-Aktie derzeit wohl noch immer als überbewertet gelten. Ein veritabler Crash scheint mittelfristig unvermeidbar zu sein, während kurzfristig die westlichen Sanktionen immer mehr Schaden anrichten. Bisher sahen die für Gazprom noch so manche Ausnahme vor. Die G7-Staaten denken aber bereits offen darüber nach, dies zu ändern. Angedacht ist momentan etwa ein Preisdeckel für russisches Gas, was in den letzten Tagen die Gaspreise schon im hohen Tempo in Richtung Süden schickte.
Das wird es bei Gazprom so schnell nicht mehr geben
In den letzten Jahren punktete Gazprom bei den Anlegern immer wieder mit Milliardengewinnen. Gemessen an diesen Kennzahlen handelte es sich tatsächlich um eines der größten Unternehmen auf dem Planeten:
- 2015: 10,23 Mrd. USD Gewinn
- 2016: 15,53 Mrd. USD Gewinn
- 2017: 12,37 Mrd. USD Gewinn
- 2018: 20,96 Mrd. USD Gewinn
- 2019: 19,38 Mrd. USD Gewinn
- 2020: 1,82 Mrd. USD Gewinn
- 2021: 29 Mrd. USD Gewin
Derartige Zahlen dürften aber jetzt erst einmal der Vergangenheit angehören, trotz der noch immer hohen Preise für Öl und Gas. Schon für dieses Jahr ist fraglich, ob Gazprom überhaupt noch Gewinne einfahren können wird. Im kommenden Jahr dürfte es nur noch schlechter aussehen. Freilich ist all das für hiesige Anleger nur bedingt interessant, da Investitionen in Gazprom für jene schwierig bis gar nicht möglich sind. Es ist aber eine Erinnerung daran, sich von dem russischen Konzern auch dann fernzuhalten, falls und wenn dessen ADRs auch an hiesigen Märkten wieder gehandelt werden sollen.
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