Frédéric Leroux (Carmignac): Mündet Putins Krieg in eine neue Weltordnung?

22.03.2024 – Dieses schwerwiegende Ereignis mit vor allem humanitären, aber auch wirtschaftlichen Folgen hat die überwiegende Mehrheit westlicher Beobachter und Vermögensverwalter wie uns völlig unvorbereitet getroffen.

Zum Zeitpunkt der Invasion war der Anteil russischer Schuldtitel in unseren Anleihefonds reduziert, dennoch beeinflusste diese Entwicklung die Ergebnisse deutlich. Reduziert hatten wir den Anteil aufgrund der guten Fundamentaldaten russischer Anleihen vor diesem unerwarteten russischen Angriffskrieg. Die deutlichen Auswirkungen sind wiederum auf die westlichen Sanktionen gegen Russland zurückzuführen. Dies spiegelte sich in der Wertentwicklung einiger unserer Fonds wider.

Russische Staats- und Unternehmensanleihen verloren nahezu unmittelbar nach Kriegsbeginn zwischen 60% und 80% ihres Werts. Zwischen dem 16. Februar und dem 1. März, dem Tag vor Aussetzung der Notierungen, verzeichneten die in Großbritannien notierten russischen Aktien – hauptsächlich Titel von Banken, Ölproduzenten oder anderen Anbietern von Industrierohstoffen – zeitgleich einen Wertverlust von 92% bis 99%. Parallel dazu schnellten die Gaspreise in Europa umgehend um das Zweieinhalbfache nach oben, und Öl verteuerte sich um 55%.

Warum gab es sofort derart umfangreiche Korrekturen?

Dies lässt sich nur anhand von zwei unterschiedlichen Faktoren erklären.

Der erste sind selbstverständlich die vom Westen verhängten Sanktionen, die ein französischer Minister tollkühn als „totalen Wirtschafts- und Finanzkrieg gegen Russland" bezeichnete, dessen „Zusammenbruch wir herbeiführen werden". Zu den gravierendsten Sanktionen gehören bis dato: der Ausschluss bestimmter Banken aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT, wodurch die ausgeschlossenen Institute keine Zahlungen für ihre Leistungen mehr erhalten können; das Einfrieren von Vermögenswerten der russischen Zentralbank im Ausland, wodurch insbesondere die Stützung des Rubels, aber auch die Rückzahlung russischer Devisenkredite verhindert wird; das Embargo für Lieferungen von Technologiegütern und -dienstleistungen aus westlichen Ländern, das zahlreiche Wirtschaftszweige garantiert rasch zum Erliegen bringen wird; das Einfrieren der Auslandsguthaben der wichtigsten russischen Machthaber und Oligarchen, das ihre Unterstützung für Wladimir Putin ins Wanken bringen könnte sowie der amerikanische und britische Importstopp für Öl und Gas aus Russland.

Russland reagierte darauf mit Vergeltungsmaßnahmen, unter anderem mit einem Verbot für russische Unternehmen, ihre Kredite in Fremdwährung zurückzuzahlen, und einem Exportstopp für bestimmte Rohstoffe. Das könnte zu neuen Engpässen in den globalen Produktionsketten beitragen. Die wirtschaftlich extrem belastenden Sanktionen werden die russische Wirtschaft eventuell schnell ausbluten lassen. Die als Reaktion ergriffenen Vergeltungsmaßnahmen wird der Rest der Welt allerdings ebenfalls zu spüren bekommen, da sie die vor dem Konflikt bereits vorhandenen Trends – Inflation und wirtschaftliche Abkühlung – beschleunigen werden.

Der zweite Auslöser der heftigen Preiskorrekturen bei russischen Vermögenswerten und fossilen Energieträgern ist das Engagement der Finanzakteure rund um den Globus für ökologische, soziale und die Unternehmensführung betreffende Kriterien (ESG) zur Förderung der Finanzierung einer nachhaltigen Entwicklung. Eine Vermögensverwaltungsgesellschaft, die sich gegenüber ihren Kunden, Finanzberatern und Fondsexperten zu einem nachhaltigen Ansatz verpflichtet, kann vor dem Hintergrund des russischen Einmarschs nicht einfach weiter in Russland investieren, als wäre nichts geschehen. Wir haben daher als Investor den vollkommen logischen und legitimen Entschluss gefasst, bis auf Weiteres keine russischen Wertpapiere mehr zu kaufen. Dieselbe Entscheidung haben auch zahlreiche andere Vermögensverwalter getroffen. Das hat die Talfahrt russischer Wertpapiere deutlich stärker beschleunigt, als es die Wirtschaftssanktionen allein getan hätten.

Extrem hoher wirtschaftlicher Preis

Die Einhaltung der ESG-Verpflichtungen beschleunigt das Tempo der Energiewende und treibt so die Energiepreise in die Höhe. In Kombination mit den Sanktionen, den Vergeltungsmaßnahmen und dem Beschluss einiger großer westlicher Unternehmen, ihre Aktivitäten in Russland einzustellen, führt dies zu einer wirtschaftlichen Extremsituation. Vielleicht hat dies insofern etwas Gutes, als es schneller als erwartet zu einer Beilegung des Konflikts durch Verhandlungen führt, da die potenziell verheerenden Auswirkungen der aktuellen Situation für die gesamte Weltwirtschaft bereits jetzt absehbar sind.

Die von der Öffentlichkeit begrüßte politische Reaktion auf die russische Invasion hat zusammen mit den Maßnahmen westlicher Investoren und Unternehmen einen sehr hohen wirtschaftlichen Preis. Diese Entscheidungen verdeutlichen jedoch auch die neuen gesellschaftlichen Ambitionen: den Wunsch nach einer „moralischeren“ Wirtschaft, bei dem die Forderung nach unmittelbarer wirtschaftlicher Effizienz in den Hintergrund rückt, die unsere wirtschaftlichen Entscheidungen in den vergangenen Jahrzehnten geprägt hat.

Wenn sich diese neuen Ambitionen bestätigen, würde dies dazu beitragen, die Inflation dauerhaft in unserem täglichen Leben zu verankern, und zwar über die derzeitigen, direkt mit dem Krieg in der Ukraine zusammenhängenden Preissteigerungen hinaus. Die bedeutenden politischen Entscheidungen, die im Zuge dieses für uns alle bestürzenden, tragischen Ereignisses notwendig scheinen, verstärken auch den Preisauftrieb, indem sie ihm neuen Boden bereiten. Die Beschleunigung der Energiewende, die Aufstockung der Verteidigungsetats, die Umstrukturierung der Energieversorgung und die Produktionsverlagerung sind ebenfalls Entscheidungen, die die Inflation über viele Jahre nähren werden, bevor sie sich in irgendeiner Weise wirtschaftlich auszahlen.

In diesem Sinne würde der russisch-ukrainische Konflikt das Ende der deflationären Dynamik der letzten vierzig Jahre bestätigen, die auf einer engen weltwirtschaftlichen Verzahnung und einer günstigen demografischen Entwicklung beruht. Dies würde den Beginn einer neuen Wirtschaftsordnung markieren. Eine neue Ordnung, geprägt von Abschottung und „Entkopplung“, um die Industrie und Energieversorgung unabhängig zu machen. Wie notwendig dies ist, haben die Pandemie und die aktuellen geopolitischen Spannungen eindrucksvoll gezeigt. Diese Umkehr des langfristigen Trends von einer Deflation hin zu einem Inflationsanstieg würde traditionellen Wirtschaftszweigen wieder zu altem Glanz verhelfen, sofern die damit verbundenen, vielfältigen Beschränkungen sorgfältig analysiert werden. Die laufenden technologischen Fortschritte dürften diese teilweise Rückbesinnung auf die Old Economy erleichtern, indem sie ihr letztlich zu einer ungeheuren Effizienz verhelfen. So sieht möglicherweise die „Welt danach“ aus.

Finden Sie hier weitere Artikel von Carmignac.

Neuste Artikel

12:34 Berkshire Hathaway-Aktie: Crash voraus?Andreas Göttling-Daxenbichler
Der Gründonnerstag macht seinem Namen an der Börse alle Ehre und es ging heute Morgen wieder einmal auf breiter Front mit den Aktienkursen in die Höhe. Jegliche Warnungen aus der Wirtschaft scheinen an den Märkten gekonnt ignoriert zu werden und die Börsianer taumeln ein einiger Vorfreude auf eine Erholung und weiter steigende Kurse. Allerdings gibt es durchaus auch Warnsignale an…
12:18 Carnival-Aktie: Was ist mit den Zahlen anzufangen?Alexander Hirschler
Der amerikanisch-britische Kreuzfahrtbetreiber Carnival hat am Mittwoch vor Börsenbeginn Zahlen vorgelegt und die Anleger damit nicht hundertprozentig überzeugt. Die Aktie gab in der Spitze mehr als 5 Prozent nach, holte diese Verluste im Tagesverlauf aber wieder auf und schloss fast ein Prozent höher. Wie der Aida-Betreiber mitteilte, lag der Umsatz in den drei Monaten bis Februar bei 5,4 Milliarden Dollar.…
11:45 Intel-Aktie: Klein aber oho?Andreas Göttling-Daxenbichler
Das Thema Künstliche Intelligenz ist derzeit in aller Munde und das Kürzel KI prangert mittlerweile auf endlosen Software-Anwendungen, ganz gleich ob es sinnvoll wäre oder nicht. In der Tiefe lassen große Sprünge in der Entwicklung aber noch auf sich warten. Intel will zusammen mit Partnern den Entwicklern nun nützliche Werkzeuge in die Hand geben. Spezielle Mini-PCs mit KI-Hardware sollen Software-Ingenieuren…
11:34 Knaus Tabbert-Aktie: Nach Zahlen im Aufwind!Alexander Hirschler
Deutlich nach oben geht es an diesem Donnerstag für die Papiere des Caravan-Herstellers Knaus Tabbert. Starke Zahlen sorgen für Kauflaune treiben den Kurs um mehr als 5 Prozent hinauf auf ein 4-Wochen-Hoch bei 42,60 Euro. Wie aus dem Geschäftsbericht hervorgeht, verdoppelte sich der Gewinn im vergangenen Jahr auf gut 60 Millionen Euro. Dazu trugen die robuste Nachfrage und eine Entspannung…
10:49 BYD-Aktie: Milliarden-Problem!Bernd Wünsche
Liebe Leserinnen und Leser, BYD hat auch am Donnerstag weiter nachgegeben. Die Notierungen verloren gleich -0,5 % und sind damit deutlich unter die Marke von 24 Euro gerutscht. Das wäre nicht zu beanstanden, wenn BYD nicht gerade Hoffnung auf eine deutliche Erholung gemacht hätte. Die Notierungen sind auf dem Weg dazu, sich von der mittelfristigen Krise zu erholen. Gründe für…
10:34 Hugo Boss-Aktie: Neue Begeisterung?Andreas Göttling-Daxenbichler
Die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft sorgte zuletzt für Begeisterung und setzte sich in Testspielen gegen durchaus beachtliche Gegenspieler durch. Das sind gute Vorzeichen für die Europameisterschaft im Sommer, von der sich auch viele Unternehmen neue Impulse erhoffen. Ein neues Parfum mit dem Label von Hugo Boss will sogar "Temperament und Leidenschaft des Fußballs symbolisieren", was auch immer das bedeuten mag. Als Werbegesicht…
09:50 TUI-Aktie: Das ist jetzt vorbei!Achim Graf
Liebe Leserin, lieber Leser, seit dem 5. Januar hatte bei der Aktie von TUI eines Bestand: die 6 vor dem Komma. In knapp drei Monaten war es den Papieren des Reisekonzerns kein einziges Mal gelungen, die Marke von 7 Euro zu erreichen, geschwiege denn sie zu überwinden. Doch seit Montag ist die bleierne Zeit vorbei: Nachdem die TUI-Aktie am Freitag…
08:35 NIO-Aktie: Ein historischer Tiefpunkt!Achim Graf
Ende vergangenen Jahres sah es zwischenzeitlich wieder etwas besser aus für NIO an der Börse. Die Aktie des chinesischen Elektroautoherstellers war nach einer Schwächephase im November wieder auf einen Kurs von 9,41 US-Dollar nach oben gezogen. Doch bereits am ersten Handelstag des Jahres 2024 fiel die NIO-Aktie wieder auf 8,91 Dollar zurück. Und es wurde nicht besser – im Gegenteil.…
08:20 Uranium Energy-Aktie: Top News!Marco Schnepf
Uranium Energy (UEC) holt sich wichtige Expertise ins Haus: Wie die US-Uranfirma Anfang der Woche bekannt gab, habe sie den Manager Brent Berg zum Senior Vice-President für das gesamte US-Geschäft ernannt. Berg kann demnach auf eine mehr als 27 Jahre andauernde Erfahrung im Bergbaubereich zurückblicken. Davon hat er mehr als 21 Jahre in der Uranproduktion in den USA und Kanada…
07:14 Byd-Aktie: Das mögen die Anleger gar nicht!Stefan Salomon
An der Börse in Hongkong ging es für die Byd-Aktie am Mittwoch bei sehr hohen Umsätzen deutlich abwärts. Mit einem Minus von über 6 Prozent reagierten die Anleger auf eine Schwäche des Gesamtmarktes sowie auf Aussagen des Unternehmens, dass auf schwache Verbraucherausgaben und eine globale Schwäche verwies – am heutigen Donnerstag im frühen Handel an der HSE (Hong Kong Stock…
07:05 3M-Aktie: Irre stark!Marco Schnepf
3M darf jubeln: Wie der US-Mischkonzern kürzlich mitteilte, sei er in Deutschland ausgezeichnet worden. Demnach ist 3M vom Marketing Club Düsseldorf im Bereich Innovationskraft geehrt worden. Konkret wurde dem Unternehmen und der für Mitteleuropa zuständigen Managerin Christin Schack der Award „Innovativ in der Transformation“ verliehen. Der Marketing Club Düsseldorf ist ein Netzwerk aus mehr als 700 Marketingspezialisten, das anlässlich seines…
07:00 Airbus-Aktie: Es geht weiter hoch hinaus!Alexander Hirschler
Die Aktie des Flugzeugbauers Airbus kennt auch weiterhin nur eine Richtung und die zeigt nach oben. Die laufende Woche könnte bereits die sechste Woche in Folge mit Kursgewinnen werden. Allein im Monat März ging es für den Boeing-Rivalen um mehr als 12 Prozent hinauf. Seit Jahresbeginn beläuft sich die Kurszunahme auf 21,45 Prozent. Damit ist der Anteilsschein sechstbester Performer im…
06:54 Infineon-Aktie: Kaufkurse? Trendwendemuster!Stefan Salomon
China will mehr eigene Chips produzieren. Wenn das so umgesetzt werden sollte, könnte es auch ein Überangebot für Mikrochips auf dem Weltmarkt geben. Das würde natürlich all den schönen Rechnungen und Business-Plänen für die zukünftigen Umsätze und Gewinne der Chip-Produzenten wie Infineon einen Strich durch die Rechnung machen. Anleger werden daher vorsichtiger und bleiben scheinbar skeptisch. Die Infineon-Aktie konnte sich…
06:00 Thyssenkrupp-Aktie: Das ist doch günstig!Stefan Salomon
Die Anleger mögen keine Überraschungen oder Gewinnwarnungen. Beständigkeit im Geschäft und in der Branche lassen stabile Erwartungen und eine gute Einschätzung von Gewinnen sowie Dividenden zu. Fehlt hingegen eine solche Stabilität, oder kommt es gar zu unangenehmen Überraschungen in einem Wert, schwindet das Vertrauen und die Anleger scheuen das Risiko. Liquidität ist ein scheues Reh. So kann auch die thyssenkrupp-Aktie…
05:50 Nio-Aktie: Was für Schock!Dr. Bernd Heim
Der chinesische Elektroautobauer Nio hat kürzlich eine Neubewertung seiner Produktionsprognose für das erste Quartal vorgenommen. Diese Ankündigung könnte für weitere Unruhen am Aktienmarkt sorgen, insbesondere da die Aktie von Nio bereits in den Tagen zuvor erhebliche Verluste hinnehmen musste. Im Abendhandel in München verzeichnete das Papier einen Kursrückgang von 3 %, was für Anleger eine bedeutsame Entwicklung darstellt. Auswirkungen auf…

Disclaimer

Die auf finanztrends.de angebotenen Beiträge dienen ausschließlich der Information. Die hier angebotenen Beiträge stellen zu keinem Zeitpunkt eine Kauf- beziehungsweise Verkaufsempfehlung dar. Sie sind nicht als Zusicherung von Kursentwicklungen der genannten Finanzinstrumente oder als Handlungsaufforderung zu verstehen. Der Erwerb von Wertpapieren ist risikoreich und birgt Risiken, die den Totalverlust des eingesetzten Kapitals bewirken können. Die auf finanztrends.de veröffentlichen Informationen ersetzen keine, auf individuelle Bedürfnisse ausgerichtete, fachkundige Anlageberatung. Es wird keinerlei Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit, Angemessenheit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen sowie für Vermögensschäden übernommen. finanztrends.de hat auf die veröffentlichten Inhalte keinen Einfluss und vor Veröffentlichung sämtlicher Beiträge keine Kenntnis über Inhalt und Gegenstand dieser. Die Veröffentlichung der namentlich gekennzeichneten Beiträge erfolgt eigenverantwortlich durch Gastkommentatoren, Nachrichtenagenturen o.ä. Demzufolge kann bezüglich der Inhalte der Beiträge nicht von Anlageinteressen von finanztrends.de und/ oder seinen Mitarbeitern oder Organen zu sprechen sein. Die Gastkommentatoren, Nachrichtenagenturen usw. gehören nicht der Redaktion von finanztrends.de an. Ihre Meinungen spiegeln nicht die Meinungen und Auffassungen von finanztrends.de und deren Mitarbeitern wider. (Ausführlicher Disclaimer)