Anfang Juni wurde seitens der Bundesregierung das neue Begleitgesetz zur Schwarmfinanzierung verabschiedet. Das Gesetz basiert auf europarechtlichen Vorgaben der EU-Verordnung zur Regelung von Schwarmfinanzierungsdienstleistern. Welche Auswirkungen werden von dem Schwarmfinanzierung-Begleitgesetz auf die Immobilieninvestment-Branche generell und auf das Geschäft von Plattformen wie Exporo erwartet?
Exporo hat – wie andere Plattformen auch – bislang erwägt, die europäische Crowdfunding-Lizenz in Deutschland zu beantragen, da sich Exporo viele Vorteile von einer einheitlichen europäischen Harmonisierung erhofft. Das am 10.Juni 2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Schwarmfinanzierung-Begleitgesetz enthält jedoch Regelungen zur Haftung, die diese und voraussichtlich auch andere Plattformen daran hindern werden, das europaweite, harmonisierte Regime der ECSP-VO überhaupt zu nutzen.
Beispiellose Verschärfung der Haftung
Das neue Gesetz enthält in seiner jetzigen Fassung eine Regelung zur persönlichen Haftung der Leitungsorgane sowohl des Projektträgers als auch des Schwarmfinanzierungsdienstleisters, also beispielsweise der Geschäftsführer und sogar auch der leitenden Mitarbeiter, die an der Erstellung der Basisinformationsblätter beteiligt sind. Und zwar bereits für leicht fahrlässige Falschangaben oder fehlende Informationen. Eine solche Regelung stehe nach Meinung von Exporo nicht nur im Widerspruch zu den allgemeinen zivilrechtlichen und regulatorischen Haftungsregelungen, die in der Regel eine Haftung von juristischen Personen, gerade aber nicht eine persönliche Haftung von Geschäftsführern und Mitarbeitern vorsehen. Sondern sie stelle in der deutschen Rechtsgeschichte auch eine beispiellose Verschärfung der Haftung für Geschäftsleiter und Mitarbeiter dar, die dazu führen werde, dass sich keine verantwortungsvoll handelnden Geschäftsführer und Mitarbeiter finden werden, die bereit sind, ihr gesamtes Privatvermögen einem derartigen, nicht kalkulierbaren und aktuell auch nicht versicherbaren Risiko auszusetzen.
Betrachtet man die granulare Rechtsprechung in Deutschland zu Prospektfehlern, die Möglichkeit von Sammelklagen und berücksichtigt man weiterhin, dass das Basisinformationsblatt nur sechs Seiten umfasst, ist das Risiko, leicht fahrlässig einen Fehler zu begehen, sehr hoch – insbesondere mit steigender Anzahl der Projekte. Konsequenz wäre, dass die “Leitungsorgane” letztlich für den gesamten Emissionsbetrag mit ihrem Privatvermögen haften – denn wenn erst einmal ein Kläger erfolgreich ist, werden mehrere folgen.
In Deutschland werde die ECSP-VO daher laut dem Plattformbetreiber so keine Anwendung finden werden, was im Vergleich zu anderen EU Staaten zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil führen werde.
Das neue Gesetz gefährdet die Ziele der ECSP-VO und schwächt damit nicht nur den Deutschland als Innovationsstandort
Das Begleitgesetz stellt einen Bruch mit den derzeit bestehenden kapitalmarktrechtlichen Haftungsregelungen dar. Die Hauptziele der ECSP-VO sind, den Zugang von Unternehmen (auch Immobilienunternehmen) zu Kapital zu erleichtern sowie eine Europäische Harmonisierung zu erreichen. Das vorliegende Schwarmfinanzierung-Begleitgesetz beeinträchtigt diese Ziele der ECSP-VO.
Weder Emittenten noch Plattformen werden laut Exporo ein derart hohes und unkalkulierbares persönliches Haftungsrisiko auf sich nehmen, sodass die Plattformen nicht in das ECSP-Regime wechseln werden. Eine fehlende Harmonisierung sowie eine damit einhergehende geringere Transparenz für die Anleger werden die Konsequenz sein.
Was vermutlich als – durchaus berechtigter – Schutz der Anleger vor einigen wenigen “schwarzen Schafen”, wie es sie früher vereinzelt in der Fondsbranche gab, gedacht war, führt zum Gegenteil: deutschen Unternehmen wird der Zugang zu Kapital erschwert, was sich negativ auf die Innovationskraft auswirken wird. Auf Seiten der Privatanleger wird es voraussichtlich zur Folge haben, dass ausländische Plattformen deutsche Anleger ausschließen werden, um nicht in das deutsche Haftungsregime zu fallen, so dass deutschen Anlegern der Zugang zu attraktiven Investitionsmöglichkeiten versperrt bleibt.
Denn die aktuelle gesetzliche Regelung differenziert nicht ausreichend zwischen wirtschaftlichem Risiko und dem – erforderlichen – Schutz vor einzelnen “schwarzen Schafen”. Es werden sich nicht nur solche Anleger auf die Haftungsregelung berufen, die tatsächlich getäuscht wurden und in Fällen, in denen Einzelpersonen bewusst Falschangaben gemacht haben. Sondern auch solche Anleger, deren Investition – sei es eine mit höherer Rendite und höherem Risiko oder mit einer niedrigeren Rendite und entsprechend niedrigem Risiko – wirtschaftlich nicht nach ihren Erwartungen verläuft. Einige solcher Anleger werden möglicherweise versuchen, mit Hilfe von hierauf spezialisierten Anwälten etwaige Fehler im Basisinformationsblatt zu finden, um sich so mit Hilfe der weiten Haftungsregelung im Schwarmfinanzierungsbegleitgesetz von ihren Investments zu lösen.
Zusammenfassend schützt das Schwarmfinanzierungsbegleitgesetz daher leider nicht den Verbraucher – was durchaus begrüßenswert gewesen wäre -, sondern hat zur Folge, dass die gesamte Schwarmfinanzierungsindustrie in Deutschland aktuell gefährdet ist. Eine so weitreichende persönliche Haftung wird bzw. sollte kein verantwortungsvoll handelndes Leitungsorgan eingehen.