Seit Sommer 2021 musste die Zalando-Aktie einen brutalen Absturz verkraften. Von einem Kursniveau bei rund 100 Euro stürzte der Titel auf etwa 25 Euro ab. Als das Unternehmen am vergangenen Donnerstag nach Börsenschluss eine vermeintliche Hiobsbotschaft mitteilen musste, setzte umgehend Panik ein. Doch die Reaktion darauf verrät uns etwas über die mittel- und langfristigen Aussichten der Zalando-Aktie.
Drastische Prognoseanpassung
Zalando veröffentlichte die besagte Ad-hoc-Mitteilung am 23.6.22 um 17.50 Uhr. Der Vorstand sah sich gezwungen, seine Prognose für das 2. Quartal 2022 deutlich zu reduzieren angesichts der aktuellen „makroökonomischen Bedingungen“. Insbesondere der Index-Score für das Verbrauchervertrauen deutet aus Sicht des Managements darauf hin, dass die Kunden schlichtweg weniger für Konsum auszugeben bereit sind als ursprünglich erwartet. Diese schwierige Phase dürfte nach Einschätzung des Vorstands auch noch „länger anhalten und intensiver sein“ als vor wenigen Monaten noch prognostiziert.
Die gute Nachricht vorab: Das Unternehmen geht dennoch davon aus, auch im 2. Quartal profitabel wirtschaften zu können. Umsatzwachstum, bereinigtes Ebit und Bruttowarenvolumen werden allerdings aller Voraussicht nach unter den prognostizierten Erwartungen und Analystenschätzungen bleiben. Konkret bedeutet dies:
Bruttowarenvolumen
- Neue Prognose für 2022: Wachstum zwischen 3-7 % auf 14,8-15,3 Mrd. Euro
- Alte Prognose für 2022: Wachstum zwischen 16-23 %
Umsatzwachstum
- Neue Prognose für 2022: Wachstum zwischen 0-3 % auf 10,4-10,7 Mrd. Euro
- Alte Prognose für 2022: Wachstum zwischen 12-19 %
Bereinigtes EBIT
- Neue Prognose für 2022: 180-260 Mio. Euro
- Alte Prognose für 2022: 430-510 Mio. Euro
Auch die Investitionen werden angesichts der Marktlage zurückgefahren. Allerdings fällt der Rückgang etwas geringer aus als bei den oben angeführten Werten. Konkret sollen die Investitionen von ursprünglich 400-500 Mio. Euro auf 350-400 Mio. Euro sinken.
Was bedeutet dies nun für die Zalando-Aktie?
Als am Freitagmorgen die Börsen öffneten, rauschte der Wert von 25,64 Euro auf 21,47 Euro herab. Aber noch am selben Tag setzte ein starker Rebound ein, der die Aktie zum Handelsschluss wieder auf das Ausgangsniveau hievte. In dieser Woche verharrte der Kurs annähernd auf diesem Niveau und bewegte sich im Seitwärtsmodus.
Augenscheinlich war die schwierige Marktlage bereits längst eingepreist. Man darf dabei nicht vergessen, dass die Zalando-Aktie derzeit bei einem Kurswert notiert, der ungefähr dem erzielten Preis bei Börsengang entspricht. Damals war Zalando nur eine Wachstums-Story mit hohen Investitionen und geringen Einnahmen. Heute ist daraus ein Konzern geworden, der Milliardenumsätze und Gewinne vorzuweisen hat. Sprich: Die Aktie ist mit Sicherheit nicht weniger wert als zum IPO.
Außerdem sei angemerkt, dass der Kurs erst aufgrund des Corona-Lockdowns und des damit verbundenen Aufschwungs des Online-Handels auf das Kursniveau von 100 Euro hochschoss. Die damit verknüpften Erwartungen erscheinen im Rückblick übertrieben.
Nicht nur Zalando betroffen
Zum einen basierten sie auf der Annahme, dass der Online-Handel dem Einzelhandel dauerhaft ein großes Stück der Marktanteile abnehmen könnte. Zum Teil waren diese Verschiebungen auch zu beobachten. Doch der Einzelhandel war gleichzeitig angesichts der bedrohlichen Lockdowns dazu gezwungen, den Umbau zu digitalen Geschäftsmodellen zu forcieren. Dadurch konnte man den dauerhaften Verlust von Marktanteilen zumindest reduzieren.
Nichtsdestotrotz ist Zalando als reinrassiges E-Commerce-Unternehmen der Einzelhandelskonkurrenz im Online-Geschäft meilenweit voraus. Und dass der Konzern trotz der eingekürzten Prognose vermutlich für 2022 immer noch ein Wachstumsplus – so klein es auch ausfallen mag – vorweisen kann, zeigt letztlich, wie dynamisch Zalando in diesem Umfeld agiert.
Denn auch die Konkurrenz wird das Verhalten der Kunden in den kommenden Monaten hart treffen. Die Inflation verteuert die Artikel des täglichen Bedarfs. Die hohen Energiekosten fressen Geldreserven auf, die ansonsten für Konsum eingesetzt würden. Die meisten von uns sind in einer solchen wirtschaftlichen Gemengelage erst einmal auf Vorsicht bedacht und sparen an Ausgaben, die als nicht so wichtig erachtet werden – wie zum Beispiel Mode.
Reaktionen der Analysten
Seit der Prognoseanpassung gab es neun Updates seitens der Analysten, die sich mit der Aktie beschäftigen. Zunächst mal ein Überblick über diese Updates, bevor wir uns mit den Reaktionen der Experten näher beschäftigen:
Analyst | Empfehlung | Kursziel |
Hauck Aufhäuser | Buy | 55 Euro |
DZ Bank | Kaufen | 45 Euro |
Deutsche Bank | Buy | 42 Euro |
Goldman Sachs | Buy | 40 Euro |
JPMorgan | Neutral | 32 Euro |
Barclays | Equal Weight | 30 Euro |
Baader Bank | Add | 30 Euro |
HSBC | Hold | 25 Euro |
Bank of America | Underperform | 18 Euro |
Praktisch alle Analysten senkten ihre Kursziele deutlich ab, blieben damit aber fast alle über dem aktuellen Kursniveau. Nur ein Bankhaus (Goldman Sachs) veränderte seine Empfehlung, strich die Zalando-Aktie von der „Conviction Buy List“ und stufte sie neu als „Buy“ ein.
Eher positives Stimmungsbild
Die negativste Meinung äußerte Geoffrey de Mendez (Bank of America). Er reduzierte seine Prognose für das EBIT um 45 % – für 2022 UND 2023. Denn er geht davon aus, dass die Krise noch länger anhalten und das Unternehmen zunehmend dazu zwingen wird, mit Rabatten zu operieren. Dies könnte natürlich zulasten der Gewinne gehen, sollte es so kommen.
Die anderen Experten äußerten sich hingegen weitaus konzilianter. Adam Cochran (Deutsche Bank) nannte die nun formulierten Ziele „realistisch“, was die Aktie besser einschätzbar für Anleger mache. Thomas Maul (DZ Bank) wies darauf hin, dass Zalando angesichts der schwierigen Marktlage die Hände nicht in den Schoß lege, sondern bereits konkrete Gegenmaßnahmen ergriffen habe. So führe man nun einen Mindestbestellwert ein, optimiere die Warenlagerung und habe allgemeine Kostensenkungen auf den Weg gebracht.
Volker Bosse (Baader Bank) hob einen wichtigen Punkt hervor, auf den ich bereits zuvor eingegangen bin. Bei der Kundenreichweite ist der Online-Händler nach wie vor top. Zudem bleibt der Konzern trotz Krise erkennbar auf Wachstum ausgerichtet.
Fazit
Die Zalando-Aktie legte am Freitag nach der heftigen Prognoseanpassungen einen veritablen Bauchklatscher hin, um sich dann umgehend wieder aufzurappeln. Für kurzfristig orientierte Trader, die auf schnelle Kurszuwächse spekulieren, taugt die Aktie meiner Meinung nach bis auf weiteres nichts. Für mittel- und langfristig orientierte Anleger, die nach seriösen Wachstumsgeschichten suchen, könnte ein Blick auf den Titel durchaus lohnen.
Sollten die Themen Inflation und Energiekrise in absehbarer Zeit von der Agenda verschwinden, wird sich auch das Konsumverhalten aller Voraussicht nach ändern. Das dürfte auch der Zeitpunkt sein, an dem der Kurs der Zalando-Aktie wieder anzieht. Realistisch ist meiner Einschätzung nach ein Kursniveau, das wir vor dem Corona-Rausch gesehen haben. Viele Analysten setzen ihre Kursziele ebenfalls in diesem Bereich. Und diese Kurszuwächse würden eine hübsche Rendite im zweistelligen Prozentbereich bedeuten.
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