Nach langem und zähen Ringen scheint die Übernahme von Covestro durch den Ölkonzern Adnoc aus den Vereinigten Arabischen Emiraten auf die Zielgerade zu kommen. Schon seit September 2023 sind die Absichten bekannt. Im Juni starteten konkrete Gespräche und am Dienstag wurde nun eine offizielle Offerte abgegeben. Jene unterscheidet sich nicht großartig von dem, was bereits vor Prüfung der Bücher in Aussicht gestellt wurde.
62 Euro je Anteilsschein will Adnoc für Covestro auf den Tisch legen. Die Annahmeschwelle wurde auf 50 Prozent der Anteile zuzüglich einer Aktie festgelegt. Inklusive einer angestrebten Kapitalerhöhung und den bestehenden Schulden des Konzerns werden 14,7 Milliarden Euro an Investitionen angepeilt, was der Öl-Gigant ohne große Not schultern kann. Der Chemiekonzern selbst begreift das Vorhaben als Chance.
Covestro will sich übernehmen lassen
Das Management von Covestro begrüßt das Angebot und empfiehlt den eigenen Anteilseignern, sich darauf einzulassen. Adnoc wird als langfristiger und zuverlässiger Partner angesehen, welcher neue Chancen für den weiteren Wachstumskurs eröffne. In der Tat würde die Fusion viel Druck vom Chemiekonzern nehmen, der in den letzten Jahren schwer an steigenden Kosten, sinkender Nachfrage und dergleichen mehr zu knabbern hatte. Zudem könnte ein mögliches Delisting den Vorstand vom Zwang befreien, den Aktionären kurzfristige Gewinnaussichten zu bieten.
Neben dem Vorstand äußern sich auch Analysten grundsätzlich positiv zur anvisierten Übernahme. Jefferies sieht keinen Grund dafür, dass das Ganze nicht wie geplant über die Bühne gehen wird. Als Reaktion darauf wurde das Kursziel auf 62 Euro und damit auf dem schon bisherigen Niveau des Übernahmeangebots belassen. Die Empfehlung wurde von „Kaufen“ auf „Halten“ geändert, was aber letztlich nur das absehbare Ende der Übernahmebestrebungen widerspiegelt und nicht als klassische Abwertung zu verstehen ist.
Die Arbeitnehmerseite ist zufrieden
Die Chemiegewerkschaft IGBCE zeigt sich ebenfalls zufrieden mit dem Angebot und die rund 18.000 Mitarbeiter von Covestro können wohl erst einmal entspannt auf die kommenden Jahre blicken. Adnoc erklärte sich bereit, die kürzlich bis 2032 verlängere Beschäftigungsgarantie beizubehalten. Zudem soll es bis 2028 keine wesentlichen Änderungen am Unternehmen geben. Auch nach einem Abschied von der Börse soll der Firmensitz mindestens bis dahin in Leverkusen bleiben.
IGBCE-Vorsitzender Michael Vassiliadis verwies zudem auf eine gemeinsame Grundsatzerklärung mit Adnoc, durch welche die Prinzipen der künftigen Zusammenarbeit und die Qualität der Mitbestimmung gesichert sei. Man zeigt sich zuverlässig, dass auch in deutschen Standorten in Innovationen investiert wird und so industrielle Wertschöpfung sowie die Zukunft der Beschäftigten langfristig gesichert werden kann. Kritik ist bei diesen Worten nicht einmal im Ansatz zu finden.
Kritiker in der Unterzahl
Allenfalls zwischen den Zeilen lassen sich hier und dort Sorgen um die Covestro-Übernahme erkenne. Die „FAZ“ berichtet beispielsweise von skeptischen Tönen aus Richtung Lanxess. Im vergangenen Herbst teilte CEO Matthias Zachert mit, dass die Übernahmegespräche zwischen Adnoc und Covestro einem zu denken gebe sollten und deutsche Chemieunternehmen aufgrund von Standortnachteilen verstärkt ins Visier ausländischer Investoren geraten könnten. Fürsprecher sehen im Investment von Adnoc allerdings durchaus auch ein Anzeichen dafür, dass Deutschland in den Augen großer Investoren eben doch noch von Interesse ist.
Unter dem Strich sind die Kritiker schwer in der Unterzahl. Es fehlt ihnen auch ein wenig an Argumenten. Schließlich erging es Covestro in den letzten Jahren alles andere als gut. Wer oder was dafür verantwortlich sein mag, sei dahingestellt. Doch die Übernahme hat schon etwas von einem Befreiungsschlag. Statt sich um die eigene Existenz zu sorgen, dürfte das Management sich wieder verstärkt Gedanken um Zukunft und Wachstum machen können.
Covestro-Aktie: Was ist jetzt zu tun?
Unabhängig von der weiteren Zukunft von Covestro stellen sich Anleger nun wahrscheinlich die Frage, was sie mit Covestro-Aktien anstellen sollten. Die grundsätzliche Empfehlung fällt dabei sehr einfach aus. Für den Moment empfiehlt es sich, die Titel zu halten bis Adnoc seine Offerte in die Tat umsetzt und Anteilsscheine einsammelt. Die Aktie reagierte zwar mit leichten Zugewinnen auf das kommunizierte Angebot. Per Handelsschluss am Dienstag notierte sie mit rund 58 Euro aber noch immer ein Stückchen unter den in Aussicht gestellten 62 Euro.
Nichts spricht daher dagegen, Anteile an die mutmaßlich künftige Eignerin zu übertragen und damit die größtmögliche Rendite mitzunehmen. Angesichts der breiten Unterstützung für das Vorhaben ist auch zu empfehlen, sich auf das Angebot einzulassen. Selbst wenn Anleger persönlich Bauchschmerzen haben sollten, so sind die Aussichten auf irgendeine Wendung derart gering, dass die Risiken schon beinahe erschlagend wirken. Es zeichnet sich auch kein Bieterkrieg ab, da außer Adnoc niemand sonst Interesse an einer Übernahme anmeldet.
Auf Nummer sicher
Der Blick in die Zukunft ist stets eine unsichere Angelegenheit. Das ist im Falle von Covestro nicht anders, auch wenn hier so ziemlich alles beschlossene Sache zu sein scheint. Unerwartete Ereignisse lassen sich nicht ausschließen. Doch wäre es weder vernünftig noch nachhaltig, solche als Grundlage für Investmententscheidungen herzunehmen. Aus Anlegersicht scheint der Drops gelutscht zu sein und angesichts eines Aufschlag von rund 50 Prozent verglichen mit den Kursen vor den Übernahmegesprächen können die Aktionäre wahrscheinlich auch zufrieden sein.
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