Liebe Leser,
Amazon ist nicht gerade dafür bekannt, kleine Brötchen zu backen. Kaum ein anderes Unternehmen hat in den letzten 20 Jahren ein solch massives Wachstum hingelegt wie der E-Commerce- und Cloud-Spezialist aus Seattle.
Schauen Sie: 2004 hatte Amazon einen Umsatz von knapp 7 Milliarden Dollar erzielt. Und 2021 waren es sagenhafte 470 Milliarden Dollar. Das entspricht einem Zuwachs von 6.614 Prozent – oder einfacher ausgedrückt: einem Plus um das 67-Fache.
Amazon ist inzwischen so groß, dass der Konzern eine erhebliche Verantwortung für die Menschheit trägt. Darauf hatte das Unternehmen selbst in den letzten Jahren immer wieder hingewiesen und betont, dass man alle Hebel in Bewegung setze, um nachhaltiger und klimaschonender zu werden.
Amazon: 1 Milliarde Euro für Dekarbonisierung der Logistik in Europa
Am Montag haben die US-Amerikaner hierzu nun eine ambitionierte Mitteilung veröffentlicht. Im Mittelpunkt: die Elektrifizierung des Transportsektors in Europa. Hier sieht Amazon offenbar das größte Potenzial, auch um den eigenen CO2-Fußabdruck zu senken.
Laut dem Konzernwill man allein in Europa in den nächsten fünf Jahren mehr als 1 Milliarde Euro investieren, um die Dekarbonisierung der Logistik voranzubringen. 400 Millionen Euro davon sollen auf Deutschland entfallen.
Nach eigenen Angaben setzen Amazon und dessen Partner derzeit bereits Tausende von emissionsfreien Fahrzeugen in Europa ein, die Pakete an Kunden ausliefern. Mit den nun angekündigten Investitionen will das Unternehmen seine E-Flotte bis 2025 auf mehr als 10.000 Fahrzeuge ausbauen – mehr als eine Verdreifachung also.
Autobauer dürfen auf neue Aufträge hoffen
Das freut natürlich die Autobranche, die mit Amazon einen ambitionierten und vor allem zahlungskräftigen Käufer an der Angel hat. So hatte der E-Commerce-Konzern etwa bei Mercedes-Benz vor einigen Jahren rund 1.800 elektrifizierte Transporter bestellt. Hinzu kam Anfang 2023 eine Bestellung bei der Auto-Holding Stellantis.
Aber auch bei den LKWs lässt sich der Tech-Gigant nicht lumpen. So will man in den nächsten Jahren für Europa mehr als 1.500 elektrifizierte Sattelschlepper anschaffen, die für den Transport zu den Paketzentren angedacht sind. Davon mindestens 500 für den deutschen Markt.
Amazon setzt hier unter anderem auf Fahrzeuge des schwedischen LKW-Bauers Volvo Trucks. Erst vor wenigen Tagen kündigte man an, bereits bis zum Jahresende 20 Exemplare des Modells „FH Electric“ einzuflotten. Volvo Trucks hatte erst im September mit der Serienproduktion von schweren Elektro-LKWs begonnen.
Auf Interesse stößt offenbar auch Daimler Truck. Der Stuttgarter Konzern hat kürzlich seinen neuen, reichweitenstarken E-LKW „Actros LongHaul“ vorgestellt. Dieser gilt in Branchenkreisen als besonders vielversprechend. Amazon jedenfalls will sich an den Tests rund um das neue Modell beteiligen und könnte hier ebenfalls großangelegte Bestellungen forcieren.
Hohe Investitionen in Ladestationen
Dabei sind die Fahrzeuge selbst nur ein Teil der Amazon-Strategie. Der Konzern investiert auch viel Geld in den Ausbau der Ladeinfrastruktur. In den USA kooperiert man hier unter anderem mit dem Autogiganten Ford.
In Europa will man jetzt auch verstärkt eingreifen. So forciert Amazon an seinen europäischen Standorten Hunderte von speziellen Schnelladestationen, hieß es am Montag. Welche möglichen Partner dafür infrage kommen, verriet Amazon indes nicht. Fest steht: In Deutschland hatte man bereits zusammen mit Mercedes-Benz Ladestationen installiert.
Amazon braucht jede Menge Öko-Strom
Und nicht zuletzt schiebt Amazon auch die Erneuerbaren Energien an. Nach eigenen Angaben hat der Konzern inzwischen mehr als 100 Projekte für Öko-Strom in ganz Europa angekündigt. Dabei geht es vor allem um Solaranlagen, die auf den Dächern etwa von Logistikzentren angebracht werden. Kürzlich hatte man in Bayern und Rheinland-Pfalz zwei solcher Projekte abgeschlossen. Hinzu kommen Investitionen in externe Wind- und Solarparks. Hier kooperiert man unter anderem mit dem deutschen Öko-Strom-Spezialisten Encavis.
Sie sehen also: Amazons Macht und der unbedingte Wille des Konzerns, nachhaltiger zu werden, setzen enorme Wirtschaftskraft frei, von der andere Firmen und Aktien profitieren können.
Aber was ist mit Amazon selbst? Nun, der Tech-Gigant hat schlicht keine andere Wahl, als sich auf grün zu trimmen. Und so ist dieses Engagement zu begrüßen und sorgt für eine langfristige Perspektive, auch wenn man hierfür hohe Summen investieren muss.
Amazon-Aktie: Rivian-Beteiligung zeigt Kehrseite der Öko-Offensive
Schauen wir uns zum Schluss noch den Aktien-Chart von Amazon an. Lässt man den Aktiensplit im Juni beiseite, steht das Papier seit Monaten unter Druck:
Amazon Aktie Chart
Der Grund liegt nicht nur in den aktuell hohen Kosten für Energie und Transport, sondern vor allem bei dem Start-up Rivian. Hier zeigt sich nämlich die Kehrseite des oben erwähnten Amazon-Öko-Booms. Der Tech-Konzern hatte sich Anteile an dem jungen US-Autobauer gekauft und gleich 100.000 E-Transporter bestellt.
Als Rivian dann einige Zeit später an die Börse kam, schoss dessen Aktie wegen des Amazon-Deals massiv nach oben. Doch die Vorschusslorbeeren trafen alsbald auf die Realität. Denn Rivian brauchte zu lange, um überhaupt Fahrzeuge zu produzieren. Hinzu kamen Zweifel an dem technologischen Know-how. Die Rivian-Aktie krachte deshalb im bisherigen Jahresverlauf enorm ein, was Amazon einen hohen Buchverlust und in Q2 schließlich auch einen milliardenschweren Nettoverlust einbrockte.
Rückruf bei Rivian: Verliert der Tech-Gigant die Geduld?
Am Freitag dann die nächste Hiobsbotschaft: Offenbar musste Rivian fast alle seiner bislang hergestellten E-Fahrzeuge wegen erheblicher Sicherheitsmängel zurückrufen. Die Rivian-Aktie verzeichnete daraufhin am Freitag einen weiteren Kursverlust von rund 8 Prozent. Und dieser dürfte Amazon abermals schwer belasten.
Vielleicht ist der Tech-Konzern hier ein zu großes Risiko eingegangen. Es muss sich nun zeigen, ob Rivian irgendwann nachhaltig auf die Spur kommen kann. Die Geduld Amazons dürfte angesichts der vielen Alternativen im E-Autobereich jedenfalls nicht unbegrenzt sein.
Amazon will übrigens Ende Oktober seine Zahlen zum dritten Quartal 2023 vorlegen.
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